■ Theatertreffen etc.
: Die Krise spitzt sich zu

Das Theatertreffen ist tot, es lebe das Theatertreffen. Dieser Ruf wurde von Teilen der Jury und dem Leiter der Berliner Festspiele, Ulrich Eckhardt, bei der Pressekonferenz am Samstag nicht gerade überzeugend ausgestoßen. Wie auch. Die Jury hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon aufgelöst, und die anwesenden JournalistInnen interessierten sich verständlicherweise mehr für finanzielle und strukturelle Fragen als für die künstlerische Auswahl, die hier eigentlich vorgestellt werden sollte.

Am gleichen Tag war im Berliner Tagesspiegel ein Brief Eckhardts an den Theaterübervater Ivan Nagel erschienen, samt einer offenen Antwort Nagels. Eckhardt bat um Rettungsvorschläge, und Nagel schmetterte ihm entgegen, er selbst habe doch schon lange das Todesurteil über das Treffen ausgesprochen. Was ist hier eigentlich los?

Die Berliner Festspiele müssen in diesem Jahr zwei Millionen Mark einsparen. Da das Geld für die Berlinale bereits ausgegeben ist und die Verträge etwa für die Berliner Festwochen schon geschlossen sind, blieb nur das Theatertreffen als Manövriermasse. 1,4 Millionen wurden hier gestrichen. Mit einem Etat von nur mehr 1,9 Millionen soll das Treffen im Mai über die Berliner Bühnen gehen. Ohne Spiegelzelt – das es bislang zu mehr als einer Gastspielreihe machte –, mit schwarzweißem Programmheft und ohne eigenen Stückemarkt (hier springt jedoch die Zeitschrift Theater der Zeit als Veranstalterin ein).

Eckhardt glaubt, daß der Etat nächstes Jahr wieder aufgestockt wird. Am 20. März tagt das Kuratorium, da werde sich alles entscheiden. Verdächtigerweise wurde allerdings zuvor schon die Auflösung der Jury gewünscht. Dennoch bleibt Eckhardt dabei, daß ein deutschsprachiges Theatertreffen auch in Zukunft nur auf der Basis einer Juryentscheidung seine Einmaligkeit bewahren würde. Juror Peter von Becker machte keinen Hehl daraus, wie lächerlich es ihm erscheint, daß eine Institution auf der Kippe stehe, weil eine Summe fehle, die gerade mal 0,6 Promille der 2,5 Milliarden Mark ausmache, die in Deutschland insgesamt für Schauspiel ausgegeben würden: „Der Zacken einer Briefmarke“.

Das alles ist unerquicklich, zumal es vor allem um Schuldzuweisung ging und eine Strukturveränderung nicht weiter thematisiert wurde. Aus dem Verlauf der Diskussion zog ein Hamburger Kollege den Schluß, daß es höchste Zeit dafür sei, den Berlinern das Treffen wegzunehmen. Als Wanderprojekt der Länder sei es leichter finanzierbar und würde jedes Jahr in einer anderen Stadt stattfinden. Da hat er recht.

Ach ja, die Auswahl 1995: Vom Deutschen Theater Berlin kommt Dorsts „Herr Paul“ (Regie: Michael Gruner); aus Bochum „Die Mama und die Hure“ von Jean Eustache (Jürgen Gosch); aus Dortmund „The Black Rider“ von Wilson/Waits/ Burroughs (Michael Simon); aus Dresden Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ (Irmgard Lange); vom Schauspielhaus Hamburg „Raststätte oder Sie machens alle“ von Jelinek (Frank Castorf); vom Thalia Theater Hamburg Ibsens „Wildente“ (Jürgen Flimm); von den Münchener Kammerspielen Kroetzens „Drang“ in eigener Regie; vom Burgtheater Wien Werner Schwabs „Präsidentinnen“ (Peter Wittenberg) und Shakespeares „Titus Andronicus“ (Wolfgang Engel) und vom Züricher Theater Neumarkt das Projekt „In Sekten“ (Volker Hesse). peko