Schlapphüte mit Nothaushalt?

■ Bei Haushaltsberatungen droht rot-grüner Regierung in Sachsen-Anhalt eine Abstimmungsniederlage

Magdeburg (taz) – Sachsen-Anhalts Verfassungsschutzchef Wolfgang Heidelberg ist ratlos, wie man „die Kuh vom Eis bringen könnte“. Für den Landeshaushalt 1995 sind zwar durch angekündigte Zustimmungen oder Enthaltungen der PDS-Abgeordneten die Mehrheiten weitgehend gesichert, aber trotz fieberhafter Verhandlungen hinter den Kulissen ist es der rot-grünen Minderheitsregierung von Reinhard Höppner bislang noch immer nicht gelungen, für den Einzelhaushalt des Verfassungsschutzes eine tragfähige Mehrheit zusammenzubringen. Den Schlapphüten des Geheimdienstlers Wolfgang Heidelberg droht, daß sie für ihre Arbeit ein Jahr lang Geld aus anderen Etattöpfen des Nothaushaltes zusammenkratzen müssen.

Denn wie schon im Nachtragshaushalt von 1994 soll der Verfassungsschutz nach dem Haushaltsentwurf von Finanzminister Wolfgang Schaefer 131 Planstellen bekommen. Das ist eine mehr, als es die rot-grünen Koalitionsvereinbarungen vorsehen, aber immerhin 20 weniger als die ursprünglich vorgesehenen 150 Planstellen. Trotzdem: eindeutig zuviel, findet die PDS. Denn für die SED-Nachfolger sollte die Reduzierung auf 130 Stellen nur ein Anfang sein. Die 21 PDS-Abgeordneten wollen den Geheimdienst ganz abschaffen und allenfalls einen Abwicklungsfonds in den Haushalt einplanen. Ein entsprechender Antrag scheiterte im Finanzausschuß aber an der Mehrheit von Koalition und CDU. Die Christdemokraten ihrerseits bekamen für den Antrag, die ursprüngliche Zahl von 150 Planstellen wieder in den Haushalt einzustellen, ebenfalls keine Mehrheit. Ebensowenig wie die Koalition mit ihrem Haushaltsansatz.

Der bündnisgrüne Fraktionschef Hans-Jochen Tschiche machte jetzt einen neuen Vorschlag. In den nächsten zwei Jahren könnten 17 Planstellen des Geheimdienstes mit kw-Vermerken (künftig wegfallend) belegt werden. In Koalitions- und Regierungskreisen stieß die Idee, Stellen von pensionierten Beamten nicht mehr zu besetzen, auf unterschiedliche Resonanz. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rüdiger Fikentscher reagierte reserviert, der stellvertretende Regierungssprecher Franz Stänner hingegen deutet an, daß der Tschiche-Vorstoß kein Alleingang des bündnisgrünen Selbstdarstellers war.

Die Hoffnung, mit einem solchen Vorschlag der PDS doch noch ihre Zustimmung auch zum Geheimdienstetat abhandeln zu können, erwies sich aber schnell als trügerisch. „Der Verfassungschutz ist eine noch recht junge Behörde, die Beamten sitzen doch noch bestimmt jahrelang auf ihren Stühlen“, meinte der PDS-Abgeordnete Matthias Gärtner. Der Vorschlag Tschiches sei deshalb nichts weiter als Kosmetik und werde deshalb abgelehnt werden, kündigt Fraktionssprecher Thomas Drzisga schon an. Tatsächlich will die PDS nur einer Lösung zustimmen, die sie ihrer Basis als Einstieg in den Ausstieg verkaufen können. Und berufen können sie sich dabei auf die gängige Praxis in den alten Bundesländern. So hat Schleswig-Holstein, das von der Einwohnerzahl in etwa Sachsen- Anhalt vergleichbar ist, lediglich 75 Verfassungsschutz-Planstellen.

„Die CDU wird sich aber noch viel weniger bewegen“, glaubt Geheimdienstchef Heidelberg. Die Christdemokraten werden gerne die Gelegenheit ergreifen, am Beispiel des Verfassungsschutzes zu demonstrieren, wie unzulänglich das Regieren mit wechselnden Mehrheiten funktioniert.

Aber auch ohne eigenen Haushalt wird der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt nicht in dieser Woche aufgelöst. „Wir werden durch Umschichtungen anderer Ministerien einen Nothaushalt auf die Beine stellen“, hieß es aus dem Innenministerium.

Daraus, so Wolfgang Heidelberg, können die Schlapphüte zumindest die Zahlungen leisten, zu denen der Verfassungsschutz gesetzlich verpflichtet ist. „Gehälter werden weiter bezahlt, aber geplante Investitionen, zum Beispiel für neue Autos und Observationstechnik müssen wir wohl in das nächste Jahr verschieben“, meint er.

Fraglich bleibt trotzdem, wie Höppners Minderheitsregierung ohne deutliche Bewegung entweder in Richtung CDU oder PDS eine Mehrheit für den Haushalt der Geheimdienstler zustande bringen wird. Eberhard Löblich