EU-Außenminister beschließen Türkei-Zollunion

■ Kritik im Europaparlament bleibt: Ratifizierung und Finanzhilfen fraglich

Brüssel/Berlin (AFP/taz) – Gestern abend sollte es soweit sein: In Brüssel wollten die Außenminister der Europäischen Union beschließen, was seit gut zwei Jahrzehnten auf der Tagesordnung steht: die Zollunion mit der Türkei. Am Freitag abend war es gelungen, Griechenland endgültig zu überzeugen, sein Veto gegen das Abkommen mit der Türkei zurückzuziehen. Zugesichert wurde, Verhandlungen über den Beitritt Zyperns zur EU spätestens sechs Monate nach dem Ende der Maastricht-Revisionsverhandlungen 1996 zu beginnen. Nur nach der Zusage, den Zypern-Beitritt im Gegenzug zur Zollunion voranzubringen, war auf Regierungsebene der Durchbruch gelungen. Die Zollunion ist die höchste Stufe der Zusammenarbeit unterhalb der Vollmitgliedschaft.

Fraglich bleibt jedoch, ob das Abkommen tatsächlich pünktlich in Kraft treten kann, denn es muß noch durch das Europaparlament ratifiziert werden, und dort war am 16. Februar mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet worden, in der die Zollunion mit der Türkei unter Verweis auf die Menschenrechtslage dezidiert abgelehnt wird. Am Freitag hatte Parlamentspräsident Klaus Hänsch noch einmal wiederholt, ohne Verbesserungen der Menschenrechtslage sehe er kaum Chancen für eine Zustimmung. Die Grünen-Europa-Abgeordnete Claudia Roth erklärte gestern, das Ja zur Zollunion mit der Türkei sei ein Affront gegen alle, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte und die Demokratisierung in der Türkei einsetzten. Auch die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ kritisierte, die EU könne kein Abkommen mit einem Land schließen, in dem allein letztes Jahr 145 Pressemitarbeiter festgenommen und zum Teil zu langen Haftstrafen verurteilt worden seien. Die Bundesregierung hingegen begrüßte das nähere Zusammenrücken zwischen EU und dem „strategisch bedeutsamen Partner Türkei“, so Staatsminister Werner Hoyer (FDP).

Mit der Haltung des Parlaments steht auch die Wiederaufnahme der finanziellen Hilfe der EU für die Türkei in Frage. Seit 1980 sind die finanziellen Beziehungen abgebrochen. 700 Millionen Ecu (rund 1,3 Milliarden Mark) an Hilfsgeldern liegen seither auf Eis. Auch die Wiederaufnahme der Hilfe kann das Parlament verweigern. pkt

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