Kein grüner Polizeiminister in Hessen

■ Bei Wiesbaden haben die rot-grünen Koalitionsverhandlungen für Hessen begonnen / Bündnisgrüne verzichten im Vorfeld auf Innenministerium

Frankfurt/Main (taz) – Seit gestern abend sitzen sie wieder einmal zusammen am Verhandlungstisch, Hessens Bündnisgrüne und ihre sozialdemokratischen PartnerInnen. Daß die Nachwahlen im Wahlkreis Bergstraße Ost nichts an dem relativ komfortablen Vorsprung von vier Landtagsmandaten für die beiden koalitionswilligen Parteien verändert haben, wurde von beiden Seiten als „gutes Omen“ gewertet. Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) und sein Stellvertreter, der amtierende Umweltminister Rupert von Plottnitz (Bündnsigrüne), hätten also gestern tief durchatmen und im Jagdschloß Platte bei Wiesbaden erleichtert in die erste Verhandlungsrunde ziehen können.

Doch ganz so entspannt gestaltet sich der Weg hin zu einer neuen sozial-ökologischen Landesregierung in Hessen wohl nicht. Die Angst vor Gesichtsverlust wird das Klima dieser Verhandlungen prägen. Immerhin beanspruchen die Bündnisgrünen, wie von Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit vehement gefordert, den Posten des hessischen Innenministers für sich. Wird ihnen dieses Amt tatsächlich von den sozialdemokratischen Unterhändlern überlassen, so würde Hans Eichel vor allem bei den sozialdemokratischen Genossen in Mittel- und Nordhessen in Ungnade fallen. Die wollen Innenminister Gerhard Bökel (SPD) behalten. Denn der hatte immerhin Ende letzten Jahres die berüchtigten Geiselgangster Albert und Pollak zur Strecke gebracht und damit bewiesen, daß auch Sozialdemokraten die Innere Sicherheit am Herzen liegt. In weiser Voraussicht wies Ministerpräsident Eichel deshalb das Ansinnen der Grünen mittlerweile zurück und legte gleich noch die generelle Marschroute der SPD fest: „Kein drittes Ministerium für die Bündnisgrünen.“

Um den Bündnispartner nicht ganz zu vergraulen, signalisierte der Ministerpräsident gleichzeitig seine Bereitschaft, den Stimmenzuwachs der Grünen bei den Landtagswahlen zu goutieren. Eichel machte in der letzten Woche flugs seine eigene Rechnung auf. Bei einer Verkleinerung der Landesregierung, rechnete er vor, würden die Grünen mit ihren zwei Ministerien – Umwelt und Energie sowie Jugend, Familie und Gesundheit – ohnehin im Kabinett „gewichtiger“ vertreten sein als bisher.

Die Bündnisgrünen haben sich mit dieser Lösung offenbar schon abgefunden. Die neue Landtagsfraktion jedenfalls empfahl der Verhandlungsdelegation die Ressorts Umwelt und Soziales „in grüner Verantwortung zu belassen“. Damit entsprach sie auch einem knappen Votum des Parteirates. Denn der hatte sich – trotz der Intervention Joschka Fischers – gegen einen Innenminister Rupert von Plottnitz und gegen einen Wechsel von Sozialministerin Iris Blaul in das Umweltministerium ausgesprochen. Die Grünen, so die Begründung von Fraktion und Parteirat, dürften nicht ohne Not den Sozialbereich wieder den Sozialdemokraten überlassen. Außerdem könne sich ein Grüner als Innenminister, der dann auch Polizei- und Abschiebeminister sein müsse, nur unbeliebt machen.

Ganz ungetrübt dürfte die Freude der Sozialdemokraten über den sich abzeichnenden Verzicht der Grünen dennoch nicht sein. Weil auch die Unterhändler der Bündnisgrünen die Angst vor Gesichtsverlust plagt, forderte die Fraktion eine „angemessene Berücksichtigung“ der veränderten Kräfteverhältnisse zwischen SPD und Bündnisgrünen bei der Regierungsbildung. Immerhin hatten Rupert von Plottnitz, Iris Blaul und Fraktionschef Fritz Hertle schon in der Wahlnacht angekündigt, mit ihrem neuen Pfund wuchern zu wollen. Ein „großes Sozialministerium“ und ein „großes Umweltministerium“ sollen nun her. Und dafür müßten SPD-MinisterInnen die bisherigen Kompetenzen arg beschnitten werden.

Die betroffenen Ministerien haben schon Widerstand signalisiert, etwa gegen die Intergration der Bereiche Frauen und Arbeit in das Sozialministerium von Iris Blaul oder gegen die Absicht, den Bereich Verkehr aus dem Wirtschaftsministerium herauszulösen und dem Umweltministerium zuzuschlagen. Schließlich will sich die SPD gerade im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und bei den Frauen profilieren.

Noch ist nichts entschieden auf Jagdschloß Platte. Bis Ende März soll die Regierung stehen. Weil es für beide Parteien keine Alternative zur rot-grünen Regierungsbildung gibt, werden SPD und Bündnisgrüne vermutlich dennoch so pfleglich miteinander umgehen, daß keine Wunden zurückbleiben. Schließlich, so Eichel und von Plottnitz übereinstimmend, soll auch diese Koalition wieder vier Jahre halten. Klaus-Peter Klingelschmitt