Bremens Top-Etagen: frauenfrei

■ „Gleichberechtigte Einstellungspraxis“ – nur oben kommen Frauen nie an

Wer nach Managerinnen fragt, fragt nach der Macht in einem Betrieb. Fragen wir mal die Sparkasse. Antwort: sechsköpfiger Vorstand – frauenfrei. Eine Ebene darunter bei den ProkuristInnen: 5 Frauen, 70 Männer. Dabei sagt doch Personalchef Hans Halves: „Bei uns ist die Gleichberechtigung durchgesetzt.“ Die Azubis werden streng quotiert. Schon seit Jahren. Doch nach oben sinkt der Frauenanteil drastisch. Manche Führungspositionen wollen die Frauen aber auch gar nicht, sagt Halves, zum Beispiel die Leitung einer Sparkassenzweigstelle. 85 solcher Posten gibt es, auf fünfen sitzen Frauen. „Da muß man abends länger arbeiten, weil Kunden wie Ärzte oder Rechtsanwälte besucht und beraten werden wollen; außerdem erwartet die Sparkasse, daß man in Vereinen tätig wird“, erläutert der Personalchef. Traumposten vieler junger Bankerinnen dagegen: Spezialberatungen, zum Beispiel die Vermögensberatung. Aber auch da landen nur wenige.

Dabei tönten die Management-Postillen Anfang der 90er: Die Manager gehen aus. Bis zum Jahr 2.000 fehlen eine halbe Million Top-Leute. Frauen, ihr könnt kommen... Alles Gewäsch, sagt die Berliner Professorin Gertraude Krell. Geändert hat sich fast nichts. Frauen nehmen noch immer höchstens 4-5 Prozent der Sessel in den Bereichen Geschäftsführung, Vorstand, Hauptabteilungsleitung in Betrieben mit bis zu 500 Beschäftigten ein. Und je größer der Betrieb, umso weniger Frauen kommen nach oben, beobachtete die Bremer Karriereberaterin Monika Becht. „Die meisten Frauen bleiben als Gruppenleiterin hängen, eine Abteilung zu bekommen, ist schon ein ziemlich großer Schritt.“ Solche Posten gehen je nach Betriebsgröße zu vier bis neun Prozent an Frauen.

Genau dieses mittlere Management aber, wohin sich die Frauen vorgearbeitet haben, wird nun im Zuge von lean management und Hierarchieabflachung abgebaut, klagt Christa Lippmann, Geschäftsführerin des Gesamtbetriebsrates der Dasa. Und woher sollen dann die, angeblich so dringend benötigten ,Top-Managerinnen bis zum Jahr 2.000 kommen? Zumal der Hamburger Arbeitswissenschaftler Michel Domsch recherchiert hat, daß 40 Prozent der Stellenanzeigen für Fach- und Führungskräfte sich ausschließlich an Männer wenden. Obwohl seit September '94 das Gleichstellungsgesetz dem Arbeitgeber verbindlich vorschreibt, Stellen öffentlich und im Betrieb geschlechtsunspezifisch auszuschreiben. Ermittelt wird erst, wenn es Klägerinnen gegen diese Praxis gibt.

„Aber wir machen bei der Einstellung gar keine Unterschiede“, behaupten dagegen Bremer Firmen von Mercedes über DST bis Karstadt. Bei Karstadt, und das ist typisch für diese Branche, machen die Frauen gar 80 Prozent der Azubis aus. Auf der Abteilungsleiter-Ebene hat sich der Frauenanteil allerdings schon wieder auf unter die Hälfte reduziert: Von 45 AbtelungsleiterInnen sind rund 20 Frauen. Sie leiten zum Beispiel die Abteilungen für Strümpfe, Schallplatten oder Süßwaren. Die vierköpfige Geschäftleitung ist dann wieder ganz in Männerhand. „Unsere Grundforderung ist Mobilität“, begründet der Erste Geschäftsführer der Karstadt AG in Bremen, Günter Kirsch. Und wenn den Frauen dann ein höherer Posten in einer anderen Karstadt-Filiale angeboten wird, „geraten sie in Konflikt, wollen ihre Partnerschaft nicht gefährden." Die Männer dagegen machten mit ihren Partnerinnen ganz andere Kompromisse, wenn ein Umzug anstehe. Seit drei Monaten schon redet Günter Kirsch auf eine Frau ein, nach Bremen zu kommen, um hier eine Wäscheabteilung zu leiten – „aber die hat einen Mann, der kann nicht mal 'ne Suppe kochen“.

Und wenn dann noch Kinder da sind! So leben 62 Prozent der Frauen in Führungspositionen ohne Kinder, bei den Männern sind es nur 16 Prozent. Doch offenbar machen einige Betriebe Angebote zur Kinderbetreuung oder zur Teilzeit. Jedenfalls versichert die Personalentwicklerin Helga Zimmermann von der Bremer Mercedes Benz AG, daß jede und jeder Teilzeit beantragen könne. Aus der Top-Etage nimmt das allerdings niemand wahr. Dort sind von 750 Führungskräften gerade mal zehn Frauen, keine davon in den beiden obersten Etagen Abteilungs- und Werksleitung. Dabei liegt bei den Bewerbungen der Frauenanteil noch bei zehn Prozent.

Auch beim Armaturen- und Anlagenhersteller Gestra sind die obersten Ebenen (Geschäftsführung, Prokuristen, Abteilungsleiter) frauenfrei. Erst auf der Gruppenleiterebene gibt es zwei Frauen, beide ohne Kinder. Dabei, so Kirsten Tilmann vom Betriebsrat, habe man in einer Krabbelgruppe in Findorff zwei Plätze reserviert – die niemand nutzen will.

Ein Lichtblick scheint da geradezu die staatliche Straßenbahn AG zu sein: mit Evi Lemke-Schulte an der Spitze des Aufsichtsrates und vier Frauen unter 30 GruppenleiterInnen. Ach, und dann gibt es noch eine stellvertretende Abteilungsleiterin in der Rechtsabteilung, fällt Personalchef Axel Kohfeldt ein. Und überhaupt eine Betriebsratsvorsitzende. Und sowieso bei den FahrerInnen ein „ausgewogenes Verhältnis“. Was das heißt? „Eins zu vier.“ Christine Holch