■ Das Portrait
: Olga Nemes

Spitzentischtennismutter Foto: Schreyer

Die Cheftrainerin Eva Jeler hat gewettet. Und? „Ich hab' die Wette verloren.“ Es ging um die sportwissenschaftlich wertvolle Frage, wie lange es wohl dauere, bis frau nach einer Geburt wieder Spitzentischtennis spielen könne. Die Antwort ist: gar nicht sehr lang. Am 8. Januar wurde der Sohn Steven geboren, heute steht Olga Nemes (26) im ungarischen Gödöllö nahe Budapest an der Platte, um mit den deutschen Tischtennisfrauen das Europaliga-Finale zu gewinnen.

Geplant war das nicht. Doch nachdem Mutter Nemes am Sonntag bei den nationalen Titelbewerben Einzel und Doppel gewann, hat Cheftrainerin Jeler ihren Irrtum eingesehen und die Meisterin eilig nachnominiert. „So gut“, hat sie gesagt, „habe ich die Olga lange nicht mehr gesehen.“ Wie das gegangen ist? „Alles ist seit der Geburt einfacher“, hat Nemes erfreut festgestellt, „meine Willensstärke und Spielfreude ist größer geworden.“ Die schnelle Leistungsfähigkeit hängt wohl auch mit ihrer Spielweise zusammen. Die Frühvollendete pflegt ein ökonomisches Spiel in Tischnähe, wo sie aus dem Block heraus ihre Punkte macht.

Im Gegensatz zu vergangenen Tagen ist Spitzentischtennis ein Ganztagesgeschäft, und bisher war unter den aktuellen Branchenführerinnen keine, die sich eine Mutterpause erlaubt hätte. Auch Jeler hatte bei einem Treffen im Frühjahr gefragt, ob sie „nicht noch ein bißchen warten“ könne, und ihr einen Gebärzeitpunkt nach Olympia 96 vorgeschlagen. Was Nemes ablehnte, mit Ehemann zur Tat als solcher schritt, danach ihre Trainingspläne bis zum 7. Monat einhielt und dann auf Schwimmen und Radfahren umstieg. Während aber der Trainerstab seine Nummer 2 abschrieb, plante Nemes im geheimen weiter für die im Mai anstehende WM in China und war zehn Tage nach der Geburt zurück an der Platte. Nach dem Erfolg von Böblingen blieb dem DTTB nichts anderes übrig, als sie zumindest für die WM- Einzelbewerbe zu nominieren.

Die Zukunft? Die aus Rumänien stammende Dülmenerin orientiert sich an den fechtenden und hochspringenden Müttern Fichtel- Mauritz und Henkel. „Ich“, sagt die durch allgemeine Skepsis erst richtig angespornte Nemes, „wollte es allen zeigen, und ich habe es allen gezeigt.“ Handelt es sich um eine Mission? Wenn ja, geht sie heute abend weiter und eigentlich erst richtig los. Peter Unfried