Unser Mann soll schöner werden

Schönheitsfarmen bieten verstärkt Programme für Männer an. Ganzheitsphilosophie statt Gurkenmaske, Seelenmassage im Beauty-Pack. Noch machen sich die Herren rar  ■ Aus dem Gesundheits-Hotel Bascha Mika

Unser Mann ist ausgelaugt. Unser Mann ist gestreßt. Er fühlt sich so schlapp wie eine abgetragene Socke. Und frißt nur noch Gummibärchen. Und dann hat unser Mann noch erfahren, was der amerikanische Attraktivitätsforscher Robert Quinn herausgefunden hat: daß gutaussehende und gepflegt wirkende Manager fast ein Viertel mehr verdienen als ihre unansehnlichen Kollegen. Das gibt unserem Mann den Rest. Er will schöner werden.

Er macht sich auf den Weg. Ein paar Tage später. Unser Mann steht im brusthohen Wasser. Um ihn herum Beine und Bäuche. „So, jetzt heben wir das rechte Knie, und hoch und runter!“ Patsch! „Sehr schön“, muntert der Bademeister vom Beckenrand die Beflissenen auf, „und jetzt hüpfen, hüpfen.“ Badekappen hopsen auf und ab, und auch unser Mann tut tapfer mit.

Wassergymnastik im Quisisana, der morgendliche Teil des Beauty- Programms. Das Quisisana in Baden-Baden ist so etwas wie eine Schönheitsfarm. Eine First-class- Herberge, die dem entnervten Zeitgenossen den Luxus bietet, sich rundum pflegen zu lassen. Zusätzlich verspricht der Prospekt „geschmackvolles Ambiente, individuelle Betreuung und ausgezeichnetes Essen“. Universales Gesundungs-Motto: „Gutes für Körper und Geist... Damit die Seele lächelt.“

Solcherart Wohltat braucht man dem genußsüchtigen Weib nicht lange anzudienen. Damen lassen sich bekanntlich mit Begeisterung luxussanieren. Doch das Quisisana bietet Rundumerneuerung auch für den Herrn. Gurkenmaske auf Stoppelbart? Peeling für Playboys? Kosmetik am starken Geschlecht?

„Männer“, philosophiert Hotelier Jürgen Krämer, der mit seinen 56 Jahren so aussieht, wie es sich für den Besitzer eines Gesundheitshotels gehört, „müssen anfangen umzudenken und eine mentale Entwicklung durchmachen, bis sie bereit sind, etwas für sich zu tun.“

Was er seinen Gästen verkaufe, habe er am eigenen Leibe erfahren, „da steh' ich hundertprozentig dahinter“. Das Angebot des Quisisana ziele weder auf den Yuppie noch auf den Mann zwischen 30 und 40: „Der ist damit beschäftigt, Geld zu verdienen und eine Familie zu gründen. Anschließend will er die Welt sehen. Aber wenn er dann mit der ersten Hepatitis nach Hause kommt – dann ist er mein Mann.“

Und der kann im Quisisana – was in etwa heißt „hier sollst du gesunden“ – das „Topfit-“ oder „Beauty-Weekend“ oder die mehrwöchige „Ganzheitliche Energie-Therapie“ buchen. Dann darf er im Bademantel in die weißgekachelte und himmelblau gemalte Unterwelt des Hotels hinabsteigen, zur „Insel der Naturträume“, dem „Kleopatrabad“ oder dem „Tempel des Nordens“. Da erwarten ihn Becken und Brausen, Dampf- und Duftbäder, Sauna und Solarium – und Hermann Fassbender, Herr über dieses nasse Reich der Sinne.

Der Bademeister, Masseur und ehemalige Kampfschwimmer der Bundeswehr lächelt zunächst entwaffnend – und greift dann zum Schlauch. So bewaffnet verpaßt er unserem Mann eine „Jungbrunnendusche“. Vom Schwimmen zur Beauty-Brause kam Fassbender durch eine Krankheit. Der Soldat mußte umschulen und wurde Masseur. „Männer“, sinniert Fassbender, „wollen sich genauso betüddeln lassen wie Frauen. Aber sie brauchen zuerst einen Schuß vor den Bug, um über sich nachzudenken.“ Er zielt mit dem Schlauch. Ein Wasserstrahl, nach Kneipp abwechselnd heiß und kalt, trifft den Gast. Das wirft ihn fast um. Kaum ist die Haut aufgemuntert, schnappt sich Fassbender Wurzelbürste und Kernseife. Tatsächlich Kernseife, die, mit der Oma die Wäsche wusch. Unser Mann wird geschrabbt und geschrubbt, bis sich seine Haut anfühlt wie frisch angezogen. Dann noch sanftes Wassergeriesel von oben, der Gast räkelt sich wohlig, Fassbender hat es wieder geschafft. Er freut sich in schönster Bademeister-Prosa: „Man muß den Gast zum Schnurren kriegen. Das ist gut gegen den Rückenschmerz der Seele.“

New-Age-Anleihen hin oder her – das Quisisana ist ein erfolgreicher Wirtschaftsbetrieb. „Jürgen Krämer“, sagt Marketingdirektor Michael Böhme über seinen Chef, „ist ein kühl rechnender Unternehmer. Er betreibt sein Haus nicht aus Hobby, hier werden schwarze Zahlen geschrieben.“ Außer dem Schönheits-Hotel betreibt er als Pächter zwei weitere Hotels und eine Autobahnraststätte. In den letzten Jahren wurde er als Hotelier mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

Mit seinem Ganzheits- und Gesundheitsprogramm hat Krämer eine Marktlücke erobert. Gesundheit, glaubt Böhme, ist der Markt der Zukunft. So ein Programm buche der Gast als Zusatzurlaub. Ein Luxus, für den er entsprechend zahlt. Rund 300 Mark pro Tag im Quisisana. Beauty-Programm und Mahlzeiten inbegriffen. Wobei Essen hier natürlich nicht simple Nahrungsaufnahme ist, sondern „die Kunst des leichten Genießens“.

Der Markt für Männer ist nicht das Entscheidende, auch wenn Carsten, der Barmann des Quisisana, hoffnungsvoll verkündet: „Früher waren die Männer die absolute Rarität. Jetzt sind sie noch eine Rarität. Bald werden sie nur noch eine Minderheit sein.“ Selbst wenn deutsche Männer in den letzten Jahren den amerikanischen Geschlechtsgenossen verstärkt nacheifern und Schönheit als Wert erkannt haben – ein Beauty-Pack auf der Schönheitsfarm ist noch nicht ihr Ding. Seinen Umsatz macht Krämer mit der weiblichen Klientel.

Zwar ist da beispielsweise dieser französische Weinhändler, der sich und seine gut 50 Jahre genüßlich in der Sauna des Quisisana schwitzen läßt. Warum läßt er sich nicht auch noch schön machen? Der Mann guckt erstaunt, zögert, dann sagt er: „Würde ich durchaus, hab' gar nichts dagegen. Aber im Moment hab' ich das doch noch gar nicht nötig.“ Welche Mittfünfzigerin würde das wohl von sich behaupten?

„Männer glauben, daß sie hier mit Gurkenmaske rumrennen müssen“, spottet Böhme. Nur jeder fünfte Gast, der ein Beauty- Programm bucht, ist männlich. Das sportlich-medizinische Angebot wird von den Männern problemlos angenommen, doch vor dem Gang zur Kosmetikerin zucken die Schlipsträger zurück. „Ich hab' ja auch Hemmungen“, gesteht Böhme, „für uns ist es ein Weg ins Unbekannte.“ Dabei gehe es ja gar nicht um äußere Schönheit. Das klinge zu sehr nach „Schönling“. „Schönheit“, belehrt Böhme und wirkt völlig überzeugt, „kommt von innen. Für mich ist es nichts anderes als Wohlbefinden.“

Das mag ja ganz schön sein, denkt unser Mann, trotzdem ist ihm auf dem Weg zu Sigrun Weber nicht wohl. Hautdiagnose, Tiefenreinigung, Vapozone, Peeling stehen auf dem Programm. Dunkle Gefilde. „Die Haut“, murmelt Kosmetikerin Weber beruhigend und versenkt unseren Mann in Schräglage wie beim Zahnarzt, „hat einen Deckel. Der wird durch das Peeling abgenommen, dann müssen die Poren geleert werden, erst dann kann wieder was rein.“

Es tönt wie der doppelte Dreisprung in der Hausreklame: „Loslassen. Entleeren. Entspannen. Anregen. Aufbauen. Wohlfühlen.“ Ein Hauch von Sphärenmusik schwebt durch den Raum, Töpfe und Tiegel stehen bereit. Sigrun Weber salbt und cremt, quetscht und drückt, reibt und rubbelt. Ob Mann oder Frau: „Haut ist Haut“, sagt sie, und Pickel haben kein Geschlecht. Auch beim Mann wird das Dekolleté aufgefrischt, auch bei ihm die Augenbrauen gezupft, wird pedikürt und manikürt und, wenn er mag, kann er die Nägel farblos lackieren lassen.

Die Kosmetikerin behandelt zwei Kategorien von Männern. Die einen kommen selbstbewußt und von allein. Das sind die wenigsten. Die anderen werden von ihren Frauen geschickt. Das sind die meisten. Wenn die Ehefrau ihren Mann erst einmal angemeldet hat, dackelt der Göttergatte auch brav zur Behandlung. – Um seine Kur dann vor anderen Männern geheimzuhalten oder leicht amüsiert zu behaupten, er habe es nur seiner Frau zuliebe getan.

Der Bundesverband der Kosmetikerinnen hat festgestellt, daß Männer sich in den häuslichen Badezimmern auch nicht anders verhalten. Sie langen in die Cremetöpfe ihrer Frauen – bis die es satt haben und ihm eine Herrenserie schenken. Der Verbrauch von Herrenkosmetik stieg in den letzten Jahren kräftig an. Dabei betrachtet der Mann Kosmetik kritisch. Seltener als die Frau verfällt er der Aura der Schönheitsmittel. Strikt rational erforscht er, was drin und dran ist – Verpackung und Produktwerbung ziehen bei Männern weniger.

Allerdings sind die am häufigsten verkauften Herrenprodukte noch immer die üblichen After- shave- und Duftwässer. Im Jahr 94 ging der Trend, so der Verband der Vertriebsfirmen kosmetischer Erzeugnisse, wieder zurück. Bei der Herrenkosmetik gab es ein Minus von zwei Prozent, bei der Körperpflege für Männer sogar um sechs Prozent. Schön zu sein ist leichter in guten Zeiten.

Die Atmosphäre in Sigrun Webers kleinem Behandlungsraum ist intim, sie läßt die Gäste reden: „Die Kundinnen kommen und laden ab.“ Die Frauen benutzen die Kosmetikerin auch als Therapeutin, die Männer schalten ab. „Entspannen Sie sich“, wispert Weber bei der Gesichtsmassage. Das braucht sie unserem Mann nicht zweimal zu flüstern. Er hat längst „losgelassen“ und ist – wie fast alle seine Geschlechtsgenossen – bei der Behandlung eingeschlafen.

Wenn er dann sein Beauty- Programm abgeschlossen hat und entspannt mit einem Bier an der Hotelbar sitzt, versteht er plötzlich, daß Frauen, wenn sie „Schönheit“ sagen, nicht nur die wöchentliche Gurkenmaske meinen.

„Schönheit“, philosophiert Quisisana-Chef Jürgen Krämer, „ist innere Ausgeglichenheit.“ Und Luxus, philosophierte einst die Kosmetikkönigin Coco Chanel, ist nicht das Gegenteil von Armut, sondern von Vulgarität. Genau so isses, seufzt unser Mann.