: Weiterer Punktgewinn für Milosevic
■ Kontaktgruppe beteht nicht länger auf der völkerrechtlichen Anerkennung Bosniens in seinen heutigen Grenzen / Gemeinsames Oberkommando der bosnischen und kroatischen Regierungsarmeen gebildet
Genf (taz) – Im diplomatischen Poker um Ex-Jugoslawien steht der serbische Präsident Slobodan Milosević vor einem weiteren Punktgewinn. Die Kontaktgruppe aus den USA, Rußland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland „besteht“ als Vorbedingung für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien/ Montenegro „nicht länger auf der völkerrechtlichen Anerkennung Bosnien-Herzegowinas in seinen seit April 1992 international anerkannten Grenzen durch Belgrad“. Dies erklärte der UNO-Botschafter eines der vier westlichen Kontaktgruppenstaaten gestern in Genf. Mit diesem erneuten Entgegenkommen will die Kontaktgruppe Milosevićs Teilnahme an einem Gipfeltreffen mit den Präsidenten Bosniens und Kroatiens, Alija Izetbegović und Franjo Tudjman, in der letzten Märzwoche in Paris erreichen.
Der serbische Präsident hatte sich in den letzten Wochen in mehreren Verhandlungsrunden mit der Kontaktgruppe beharrlich geweigert, als Vorbedingung für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien/Montenegro, Bosnien und Kroatien in ihren derzeitigen Grenzen völkerrechtlich anzuerkennen. Statt dessen bot Milosević an, anläßlich eines Gipfeltreffens mit Tudjman und Izetbegović lediglich Kroatien anzuerkennen. Die Anerkennung Bosniens will Belgrad erst zu einem späteren Zeitpunkt aussprechen, – nach einer Einigung zwischen der bosnisch-kroatischen Föderation und den bosnischen Serben über die Verteilung des bosnischen Territoriums. Dem Konfliktverlauf der letzten drei Jahre zufolge ist damit zu rechnen, daß diese Einigung nicht eintritt und es am Ende zur Teilung Bosnien-Herzegowinas in zwei oder – bei einem durchaus möglichen Auseinanderfallen der bosnisch- kroatischen Föderation – sogar in drei staatliche Einheiten kommt.
Besonders Frankreich drängte in der Kontaktgruppe darauf, den Stufenplan Milosevićs zu akzeptieren. Umstritten ist noch die Frage der Sanktionen. Milosević besteht weiterhin auf einer endgültigen Aufhebung durch einen entsprechenden Beschluß des UN-Sicherheitsrates. Die Kontaktgruppe ist bislang lediglich zur Suspendierung der Sanktionen bereit. Dies ließe die Möglichkeit offen, die Sanktionen auch ohne einen erneuten Beschluß des Sicherheitsrates wieder einzusetzen, falls sich Belgrad nicht an Zusagen halten sollte. Der kroatische Präsident Tudjman gab gestern in Zagreb offiziell die Bildung eines gemeinsamen Oberkommandos zwischen den Regierungsarmeen Kroatiens und Bosniens sowie den Streitkräften der bosnischen Kroaten bekannt.
Ein förmliches Abkommen wurde allerdings noch nicht abgeschlossen. Theoretisch ermöglicht diese Vereinbarung ein Eingreifen der kroatischen Regierungsarmee auf bosnischem Territorium, zum Beispiel gegen die kroatischen Serben, die derzeit in der Region Bihać die bosnischen Serben unterstützen. Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen