■ Neuer Angriff Saddams auf die kurdischen Gebiete
: Fällt das Kartenhaus zusammen?

Saddams Truppen greifen an – in den kurdischen Gebieten hofft man auf die UNO – wahrscheinlich vergeblich. Der erneute militärische Vorstoß ist für die Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak sicher nicht günstig, aber der Diktator muß militärische Stärke zeigen. Dazu gehört die Kontrolle über die abtrünnigen kurdischen Provinzen im Norden. Und die Ausländer müssen raus. Sie sind immer noch die einzige Garantie für das kurdische Experiment.

Hat Saddam den richtigen Zeitpunkt gewählt? Die beiden mächtigsten, bislang verfeindeten kurdischen Parteien haben sich angesichts der Drohung aus Bagdad verständigt, Tausende von Peschmerga-Kämpfern an die „Grenze“ zum Irak zu verlegen, und kurdische Islamisten wie Kommunisten sind ihnen darin gefolgt. Aber für die kurdische Bevölkerung stellt sich wieder einmal die alte Frage: „Was wird die UNO tun, um uns zu beschützen?“ Alle setzen auf die UNO- Schutzzone. Aber die gibt es eigentlich gar nicht. Denn der „sichere Hafen“ für „Flüchtlinge aus dem Nordirak“ umfaßt nur bevölkerungsarme Gebiete. Dreiviertel der KurdInnen leben außerhalb der Schutzzone. Auch das Flugverbot nördlich des 36. Breitengrades schützt nur die Hälfte der Bevölkerung, es gilt außerdem nicht für Hubschrauber. Die Folge: ständige Artillerie-, Panzer- und Helikopterangriffe auf Siedlungen jenseits der kurdisch-irakischen Demarkationslinie.

Von den anfangs 500 UNO-Truppen sind nur 83 übriggeblieben, Sie können nicht einmal mehr die Mindestaufgabe erfüllen – den Schutz der Hilfslieferungen. Die Sicherheit, so heißt es, soll von lokalen, kurdischen Autoritäten gewährleistet werden. Die Kurden sollen etwas unter Beweis stellen, was sie gar nicht dürfen. Partner der UNO ist nicht die Regionalregierung, sondern Bagdad. New York ist weit weg, und politische Entscheidungen stehen bis heute aus. Läßt sich die Diktatur mit Nothilfeprogrammen überwinden? Mit dem Diktator kooperieren und von seinem Volk den Freistaat erwarten? Das gibt es nur in der Operette.

Die UNO hatte Glück in Kurdisten. Selbst führende kurdische Politiker glauben an ihre Zusage, ihr Volk nicht mehr an das mörderische Regime auszuliefern. Die UNO und damit alle ausländischen Hilfsorganisationen sind der Schutz, an den man bislang hier glaubt. Jetzt geht die Angst um. Wird die UNO aus Kurdisten abziehen?

Diese Angst ist berechtigt. Der Schutz ist symbolisch. Weder die UNO noch die Alliierten sind für die Sicherheit der Kurden vor Saddams Armee da. Da sollte sich niemand wundern, wenn das Kartenhaus zusammenbricht. Rizgar Dostani

Freie Autorin, lebt in München