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■ US-Dollar auf dem tiefsten Stand seiner Geschichte / Panik auf den Devisenmärkten

Berlin/Frankfurt (taz/dpa/rtr/AP) – Wer noch Dollars besitzt, will sie loswerden. Krisenstimmung herrscht an allen Finanzplätzen der Welt, nur nicht in der Chefetage der Deutschen Bundesbank. Präsident Hans Tietmeyer, persönlicher Freund des Kanzlers Kohl und Herr über das teuerste Geld der Welt, ließ gestern lediglich verlauten, „die jüngsten Wechselkursschwankungen enthalten Übertreibungen, die von den ökonomischen Fundamentalfaktoren her nicht gerechtfertigt sind“. Die Zentralbankchefs anderer europäischer Länder hörten die deutsche Weisheit mit Staunen. Sie nehmen die Krise ernst. Frankreich, Belgien und Dänemark haben ihre Leitzinsen erhöht, um ihre Landeswährungen zu stabilisieren. Der relative Wert der Deutschen Mark stieg trotzdem weiter an. Das Europäische Währungssystem zerbricht zusehends, die Mark zieht allen davon.

Der amtliche Mittelkurs des Dollars lag gestern in Frankfurt bei 1,3755 Mark. Die Zahl wird kaum noch ernstgenommen: Dollars wurden gestern in Tokio schon für weniger als 1,35 Mark getauscht. Der bisher niedrigste Wert von 1,38 Mark, der im September 1992 erreicht war, gehört der Geschichte an. Finanzanalytiker rechnen damit, daß sich die Leitwährung der Weltwirtschaft auf einem Niveau von etwa 1,30 Mark einpendeln wird.

Das internationale Kapital flüchtet in die drei heute als stabil geltenden Währungen Deutschlands, Japans und der Schweiz. In Tokio herrscht Panik nicht nur an der Börse, sondern vor allem in der Industrie, die um ihre Exporte fürchtet. Die deutschen Unternehmen haben für diesen Fall besser vorgesorgt. Ihre langfristigen Kontrakte mit dem Ausland sind in der Regel gegen Wechselkursrisiken abgesichert. Wirtschaftsminister Rexrodt (FDP) fürchtet lediglich den sogenannten „Drittmarkteffekt“ für die nationale Exportwirtschaft. Die USA können ihre hochwertigen Investitionsgüter nun zu weit günstigeren Preisen anbieten als die deutsche Konkurrenz.

Noch sind die Auftragsbücher der deutschen Exporteure gut gefüllt. Die Erklärung der Bundesbank stellt zwar fest, daß „ein starker Dollar im nationalen Interesse der USA liegt“, das Gegenteil ist jedoch wahr. Weder Deutschland noch die USA haben ein Interesse, die weltweite Währungskrise zu beenden. Zinserhöhungen der Federal Reserve (Fed), die den abstürzenden Dollar wieder attraktiv machen könnten, werden von niemandem erwartet, und auch die Erklärung der Bundesbank schließt eine entsprechende Senkung der deutschen Leitzinsen aus. Tietmeyer zieht eine niedrige Inflationsrate im Inland dem nur noch verbal beschworenen Ziel einer Europäischen Währungsunion vor. Die Partnerländer haben sich der neuen deutschen Leitwährung anzupassen, auch wenn sie mit ihren Rettungsversuchen für die nationalen Währungen die eigene Industrie in Schwierigkeiten bringen. Deutschland werde sich deshalb weiterhin um „Geldwertstabilität bemühen“, schreibt Bundesbankchef Tietmeyer. Besonders zu begrüßen sei aber vor allem „die Entscheidung der Banque de France“, die ihre Leitzinsen gleich um zwei Prozentpunkte erhöht hat.

Niklaus Hablützel Seite 6