Nachschlag

■ Dejanira-Ensemble im Theater Zerbrochene Fenster

Was tun nach so einem trüben Märztag? Einen kleinen Kriminaltango in der Taverne drehen? Oder vielleicht ein wenig nach dem Tango-Geiger hinschauen? Schon verblaßt der graue Alltag, der stämmige Sänger preßt die Hand auf die gülden umspannte Brust: „Du bist aus Gold, ich bin aus Gold...“ Ach ja. Ich möchte Tango tanzen, immer nur Tango tanzen! Gleich ein paar Dutzend Ohrwürmer ringeln sich im unverwechselbaren Rhythmus durchs „Grand Hotel“. Karl-Heinz Barthelmeus, der Leiter des Dejanira-Ensembles, huscht als eleganter Oberkellner immer wieder über die Bühne, wo drei KünstlerInnen zum Sangeswettstreit angetreten sind. Da ist die Opernsängerin Katja Guedes, zierlich wie eine Porzellanschäferin, der man ihr verblüffendes Stimmvolumen auf den ersten Blick gar nicht zutraut. Den bittersüßen Part der verblühten Schönheit gibt die Sängerin Rosemarie Heinze, die bisher vor allem auf Liederabenden aufgetreten ist. Zart und nervös beklopft sie ihre Lockenfrisur und zupft ihr Trägerkleidchen zurecht. Steffen Lau, Schauspieler und Psychiater, hat zwar keine Gesangsausbildung, erobert das Publikum aber mühelos durch seine dämonisch umschatteten Blicke. Schöner Gigolo, armer Gigolo...

Ein Lied geht bruchlos ins nächste über. Die Damen tragen gewagten Zwanziger-Jahre-Kopfputz und besingen „Hernando's Hideaway“, aber auch die Fünfziger mit Rudi Schurickes unvergessenen Caprifischern kommen nicht zu kurz. Von den Kordilleren führt die Tango-Weltreise über Ceylon und Singapur nach Hawaii. Lügen reimen sich auf Vergnügen, Pinien auf Argentinien, Mädel auf Schädel. Tapfer hält die Pianistin Karin Cooper fast zwei Stunden lang denselben Rhythmus. Während das Publikum zu Beginn noch selig gluckst und kichert, macht sich gegen Ende doch Erschöpfung breit: Die umständliche Dreiecksgeschichte zwischen den SängerInnen beginnt so spät, daß sie kaum noch Interesse erregt. Die Ohren stumpfen ab. So gehen Perlen der Dichtkunst wie beispielsweise „Mit dir möcht' ich mal auf der Avus Tango tanzen“ unbeachtet unter. Das wäre wahrscheinlich anders, wenn das auf seiner steilen Tribüne eingesperrte Publikum eine Chance zum Tanzen bekäme. Denn es ist und bleibt doch ein Rhythmus, wo jeder mit muß. Unter der roten Laterne von St. Pauli ebenso wie im Grand Café oder in Santa Fé. Caramba! Caramba! Olé! Miriam Hoffmeyer

Bis 11.3., 20.30 Uhr und 12.3., 17 Uhr, Theater Zerbrochene Fenster, Schwiebusser Straße 16, Kreuzberg