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■ „TheaterFremdeKunst“: Symposium im Künstlerhaus Bethanien

„TheaterFremdeKunst“. Der Titel des internationalen Symposiums, das heute im Künstlerhaus Bethanien beginnt, läßt sich modernistisch vielbezüglich intonieren. Dabei geht es um ein altes gesellschaftliches Phänomen, das sich im Bereich der Kunst vielleicht am deutlichsten manifestiert: die funktionalisierte Rezeption des Fremden, die Susan Sontag eine „letztmögliche Verfeinerung der kolonialistischen Sehweise“ nennt.

Ein Beispiel: Antonin Artaud, der französische Theatertheoretiker, Exzentriker und Mystiker, wünschte sich, die Grenzen des literarischen und psychologischen Theaters seiner Zeit durch den Einbezug fernöstlicher Elemente zu sprengen. Der gestische Reichtum etwa des balinesischen Theaters, das er während der Weltausstellung 1931 in Paris in einer Aufführung erlebte, übte auf ihn eine magische Wirkung aus. Als Europäer konnte er das ausgeklügelte Zeichensystem nur gefühlsmäßig verstehen, und so bejubelte er als „konkrete Anschauung vom Abstrakten“, was tatsächlich fast einen epischen Charakter hat, da überlieferte Geschichten in einem verbindlichen gestischen Kodex erzählt werden. Aber es ging Artaud ja gar nicht um Bali, sondern es ging ihm vor allem um Nicht-Europa, um das Andere. Die Rezeption fremder Kunst und Kultur funktioniert seit jeher vornehmlich als Projektion und äußerte sich immer wieder als reine Effekthascherei: Ende des 18. Jahrhunderts grassierte die Chinoiserie auf der Bühne. Ein Fächer oder ein Zopf genügten, und man konnte eine chinesische Figur in eine Komödie stolpern lassen, deren Fremdartigkeit den Lacherfolg garantierte – durch Spott entkam man der Konfrontation mit der Exotik, Behaglichkeit konnte über den Zwang siegen, eigene Werte zu überprüfen.

„TheaterFremdeKunst“ ist eine dreitägige Vortrags- und Gesprächsreihe mit internationalen KunsttheoretikerInnen, TheaterwissenschaftlerInnen, PerformerInnen und LiteraturwissenschaftlerInnen, die vom Künstlerhaus Bethanien, dem Podewil und der Eliza-Fraser-Gesellschaft veranstaltet wird. In Frage gestellt werden soll der Blick vom jeweiligen kontinentalen Nabel auf den Rest der Welt in seinen verschiedenen Erscheinungsformen. Begleitend findet im Podewil ein Workshop des Eliza-Fraser-Projekts statt. Organisiert von der Volksbühnendramaturgin Barbara Mundel und Renate Wolf geht es hier darum, die Geschichte der Engländerin Eliza Fraser mit unterschiedlichen kulturellen und künstlerischen Ansätzen szenisch umzusetzen. Fraser erlitt 1836 vor der australischen Küste Schiffbruch, lebte einige Wochen bei Aborigines und wurde von einem weißen Strafgefangenen befreit. Es gelang ihr nicht mehr, in der englischen Gesellschaft Fuß zu fassen, sie endete vermutlich beim Tingeltangel, doch ihr Erlebnis wurde zum Mythos. Schon die unterschiedlichen Überlieferungen der am Schiffbruch und der Rettung Beteiligten spiegeln mehr deren Charakter und Intentionen als den Ablauf selbst. Dieser symptomatische Zusammenfall von Rezeption und Projektion ist der Ausgangspunkt für das Projekt, das einsichtigerweise als work-in-progress verstanden wird. Petra Kohse

Symposium „TheaterFremdeKunst“, heute bis Sonntag, täglich ab 10 Uhr, Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2, Kreuzberg. Der Besuch ist für 30 Mark allen Interessierten möglich, bitte anmelden unter Telefon 616 90 313.

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