Bürgerfunk defensiv

■ Wie lange können sich Lokalradios und AmateurfunkerInnen noch halten?

Auf den ersten Blick kann sich die Bilanz nach fünf Jahren Bürgerfunk im nordrhein-westfälischen Lokalradiomodell sehen lassen: Rund 60.000 Beiträge mit insgesamt 40.000 Programmstunden wurden in den 44 Lokalsendern ausgestrahlt. Die Bürgerfunker dürfen täglich bis zu zwei Stunden Programm im kommerziellen Lokalradio füllen. Kein Wunder, daß die stellvertretende Direktorin der aufsichtführenden Landesanstalt für Rundfunk (LfR), Sabine Hadamik, auf einem Hearing in Düsseldorf letzte Woche stolz verkündete: „Hier ist eine kulturelle, demokratische und mediale Kompetenz, die ausgebaut werden muß.“

Doch ganz so rosig stellt sich die Realität nicht dar. Zwar gibt es mittlerweile landesweit 180 Radiowerkstätten, in denen Interessierte das Radiomachen lernen können, doch die finanziellen Mittel fehlen. Mit einem Jahresetat von knapp 2,4 Millionen Mark von der LfR stehen für jedes Verbreitungsgebiet eines Lokalprogramms gerade mal 54.000 Mark zur Verfügung. Kein Wunder also, daß der SPD- Medienpolitiker und Landtagsabgeordnete Jürgen Büssow sich den Unmut der Bürgerfunker zuzog, als er sich strikt weigerte, zusätzliche Gelder von der LfR loszueisen.

Auf wenig Gegenliebe stieß sein Finanzierungsvorschlag: Die Bürgerradios sollten das Recht bekommen, sich durch Sponsoren zu finanzieren. Viele befürchten damit einen weiteren Schritt in die Selbstkommerzialisierung. Dabei haben sie sich sowieso weitgehend den Wünschen und Vorgaben der kommerziellen Lokalradioveranstalter angepaßt. Widerspruchslos beugte man sich der Forderung, daß die Bürgersendungen zum Werbeprogramm der Kommerzsender passen müssen. Jetzt hat man sich auch noch dazu bereit gefunden, die eigenen Sendungen lediglich zwischen 18 und 20 Uhr auszustrahlen, die hörerintensiven Tageszeiten am Morgen stehen also Dudelwellen und Werbern ungestört zu Verfügung.

Ohnehin ist fraglich, wie die Zukunft des Lokalradiomodells in Nordrhein-Westfalen aussehen wird. Nur ein Drittel der Kommerzsender schreibt schwarze Zahlen. Lokalfunk rechnet sich kaum, deshalb sind die Modelle in Bayern und Baden-Württemberg letztlich gescheitert. Das Rennen machen landesweite oder regionale Sender. Noch haben in Nordrhein-Westfalen die kommerziellen Lokalradios das Sendemonopol, aber schon jetzt bestimmt das Rahmenprogramm von Radio- NRW den Sendeablauf. Kein Wunder, hier kann die begehrte Markenartikelwerbung landesweit plaziert werden.

Die medienpolitische Sprecherin der CDU, Ruth Hieronymi, ist der Meinung, daß der Lokalfunk mit seinen derzeitigen Verbreitungsgebieten auf Dauer nicht weiterbestehen kann. Tatsächlich ist absehbar, daß es früher oder später zur Zusammenlegung der Sendegebiete kommt, sogar ein landesweites Kommerzradio ist nicht ausgeschlossen. Die Zukunft des Bürgerfunks sähe dann düster aus. Philippe Ressing