Das Anfüttern der Beamten ist verboten

Bündnis 90/Die Grünen fordern umfassende Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung. Sie setzen auf Prävention und sind gegen Lauschangriffe. Beamte sollen rotieren, um Schmiergeldzahlungen vorzubeugen, Abgeordneten- bestechung soll strafbar werden  ■ Von Wolfgang Gast

„Die sich zunehmend ausbreitende Korruption in deutschen Behörden muß mit allen Mitteln bekämpft werden.“ So heißt es in einem Antrag zu „Maßnahmen gegen Korruption“, den die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Ende Februar in den Bundestag eingebracht hat. Zur Begründung schreiben die Grünen-Parlamentarier: „Das für den Bereich der organisierten Kriminalität so typische ,Anfüttern‘ der Beamten (Geschenke, für die zunächst keine Gegenleistungen gefordert werden) ist ebensowenig strafbar wie nachträgliche Zuwendungen als ,Dankeschön für die gute Zusammenarbeit‘.“ Alle Ermittlungen seien dadurch erschwert, daß eine sogenannte Unrechtsvereinbarung nachgewiesen werden muß, mit anderen Worten: die Zuwendung muß in konkretem Zusammenhang mit der Diensthandlung stehen. Gelingt der Nachweis nicht, dann bleiben Schmiergelder ohne strafrechtliche Konsequenzen.

Das soll nach dem Willen der Bündnisgrünen anders werden. Der Bundestag, so fordern sie, müsse die Bundesregierung auffordern, Sofortmaßnahmen zur Korruptionsbekämpfung zu ergreifen, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen und einen Sachstandsbericht zu Entwicklung und Ausmaß von Korruptionspraktiken im nationalen wie im internationalen Wirtschaftsverkehr abgeben.

Als eine Sofortmaßnahme fordern die Bündnisgrünen die Einrichtung einer zentralen Dokumentationstelle beim Bundesjustizministerium. Dort sollen Informationen über „Korruptionsstrukturen und -muster, Kartellbildungen und ähnliches erfaßt“ und anschließend den öffentlichen Verwaltungen und Strafverfolgunsbehörden zur Verfügung gestellt werden. „Anti-Korruptionsgruppen“ sollen bei den Rechnungshöfen eingerichtet werden.

Eine „obligatorische Rotation von Beschäftigten in sensitiven Bereichen, wie etwa Beschaffungsstellen und Baubehörden“ soll der Bestechlichkeit im öffentlichen Dienst vorbeugen. Wer Beamte besticht, soll ordentlich zur Kasse gebeten werden – durch die Einführung von Anti-Korruptionsklauseln.

Wer Bundesbürgschaften oder sonstige staatliche Zuwendungen erhält, muß schriftlich erklären, daß im Zusammenhang mit dem Geschäft keine illegalen Zahlungen erfolgt sind. Wird der Zuwendungsnehmer überführt, dann entfällt die Zahlungsverpflichtung des Staates, der Deckungsnehmer wird von zukünftigen Zuwendungen und Bürgschaften ausgeschlossen. Das kann ziemlich teuer werden.

Im Bereich der Gesetzgebung forden die Bündnisgrünen den „Ausschluß der steuerlicher Absetzbarkeit von Bestechungs- und Schmiergeldern im In- und Ausland“. Diese können bislang bei der Steuererklärung immer noch als „nützliche Aufwendungen“ geltend gemacht werden – besonders massiv wehren sich die Bonner Politiker, eine Bestechung im internationalen Wirtschaftverkehr unter Strafe zu stellen. Schlichtes Argument: Die Exportchancen der bundesdeutschen Wirtschaft würde erheblich leiden.

Erweitert werden soll auch der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung. Bisher ist lediglich strafbar, seine Stimme im Parlament gegen Bares abzugeben. Wer sich aber beispielsweise dafür bestechen läßt, schärfere Umweltschutzbestimmungen zu verhindern, und entsprechend dafür Sorge trägt, daß Vorlagen schon im Vorfeld parlamentarischer Entscheidungen zu Fall gebracht werden, ist fein raus. Der Antrag der Bündnisgrünen fordert daher eine Erweiterung der Strafbarkeit auf „Einflußnahmen im Vorfeld parlamentarischer Abstimmungen“.

Der Maßnahmenkatalog der Bündnisgrünen orientiert sich im wesentlichen an Überlegungen, die auch von der Mehrheit der in diesem Bereich tätigen Staatsanwälte und Kriminalbeamten mitgetragen werden. Das zeigte Mitte Februar eine Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung. In einem folgen die Bündnisgrünen den dort geäußerten Wünschen der Ankläger und Ermittler aber nicht: Die Forderung nach dem Einsatz verdeckter Ermittler und des Lauschangriffs bei Korruptionsverdacht wird von der Bürgerrechtspartei abgelehnt. Sie kann sich dabei auch auf den Mailänder Staatsanwalt Gherardo Colombo berufen. Dessen Behörde ermittelte in den letzten drei Jahren gegen rund zweieinhalbtausend Korruptionsverdächtigte. Den Erkenntnisgewinn aus dem in Italien zugelassenen Lauschangriff nennt Colombo „gering“.