Vernunftehen halten länger

125 Jahre Deutsche Bank: Gewichtigster Grund für ihren dauerhaften Erfolg war stets die enge Verflechtung mit Politik und Industrie  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Der König von Preußen erteilte höchstselbst die Konzession: am 10. März 1870 wurde auf Initiative der Bankiers Bamberger und Delbrück die erste Aktienbank in Berlin gegründet. Privatbankiers waren es zumeist, welche die Deutsche Bank (DB) schufen. Die Gründerzeit und das im Werden begriffene Deutsche Reich schrien förmlich nach viel, viel mehr Geld und Kapital, als es jene häufig geadelten Finanziers bereitstellen konnten. Protegiert wurde die neue Aktiengesellschaft durch Otto von Bismarck, damals noch preußischer Ministerpräsident. „Da Bismarck die Banken und die Bankiers immer als Instrument der Politik gewertet hat, brauchte ihm niemand den politischen Nutzen und den funktionellen Sinn des Bankwesens zu erklären“, schrieb DB-Chronist Fritz Seidenzahl zum 100. Geburtstag der Bank.

Hinter den 76 Stammvätern der Deutschen Bank standen Industrielle und auch manches Syndikat: Historiker Seidenzahl nennt die „leistungsfähige, bahnbrechende rheinische Industrie“, Hoesch und immer wieder Siemens. Erster Vorstandsvorsitzender der neuen Aktienbank wurde Georg Siemens, Neffe des Konzern-Gründers – eine Vernunftehe, die auch 1995 noch hält.

Das Eigenkapital der Deutschen Bank wuchs in vier Jahrzehnten von 15 auf 250 Millionen Mark, und aus 50 Angestellten wurden 6.000. Viele Regionalbanken wurden ihr Opfer. 1914 konnte dann die Frankfurter Zeitung (FZ) ihren Lesern den Geldriesen als die „größte Bank der Welt“ vorstellen. Drei Jahrzehnte später revanchierte sich der Finanzriese und schuf mit der FZ-Nachfolgerin Frankfurter Allgemeine Zeitung (s)ein neues Zentralorgan. 1928 fusionierte die Deutsche Bank mit dem zweitgrößten Institut des Landes, der Disconto-Gesellschaft. Drei Jahre später stieß die Bankenkrise, an deren Verschärfung die DB diskret mitgewirkt hatte, die deutsche Kreditwirtschaft an den Rand des Konkurses. Die Deutsche Bank überlebte als einzige Großbank ohne direkte Kapitalbeteiligung des Reiches – industrielle Freunde wie Mannesmann, Reemtsma und Siemens waren hilfreich beigesprungen.

Im Geschäftsbericht über das Jahr 1933 jubiliert der DB-Vorstand: „Während des ersten Jahres der nationalsozialistischen Reichsführung hat sich im Wirtschaftsleben Deutschlands eine entschiedene Wendung zum Besseren vollzogen.“ Die „entschiedene Wendung“ führte bereits im zweiten Kriegsjahr dazu, daß 63 Prozent des Geschäfts der größten deutschen Bank auf Forderungen gegen den Staat entfielen: „Unser unmittelbarer Beitrag zur Kriegsfinanzierung“, lobte sich die Bankspitze in der Bilanz von 1940.

Bis heute hat die Epoche 1933 bis 45 für die Deutsche Bank quasi nicht stattgefunden. Jetzt, zu ihrem 125. Geburtstag, bekennt sich das Mega-Institut zu feindlichen Übernahmen von Banken im besetzten Ausland und zur „Arisierung“; sie „gehörte schon fast zum regulären Bankgeschäft“, heißt es in der Presseerklärung zum Festtag. Darüber hinaus wurde nun eine 1.100 Seiten starke Hausgeschichte vorgestellt, die nach der vorab verteilten „unkorrigierten Leseprobe“ immerhin Schuld bekennt, aber auch verharmlost. Diese DB- Beichte konnte kein nennenswertes Geheimnis mehr lüften, nachdem die Untersuchungsergebnisse der US-Militärbehörden 1986 bereits zum zweiten Mal veröffentlicht worden waren (OMGUS-Bericht). Die amerikanischen Besatzungsbehörden hatten 1946 eine sofortige Liquidierung der Deutschen Bank gefordert. Alle verantwortlichen Mitarbeiter, darunter Hermann Josef Abs, wären „als Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen“. Soweit kam es nicht. Aber immerhin wurden die deutschen Großbanken in Regionalbanken zerlegt, die Deutsche allein in zehn. Im Osten enteignet, brachte im Westen schon das Jahr 1957 das Comeback einer wiedervereinten Deutsche Bank AG – unter der Leitung von Hermann Josef Abs.

Heute hat die DB die anderen Großbanken weit hinter sich gelassen. Wie kam es dazu? Von Anfang an, 1870 wie auch nach 1945, hatte die Deutsche Bank mehr finanzielles Kapital als die Konkurrenz. Sie stieg Ende der fünfziger Jahre energisch in das bis dahin unterentwickelte Privatkundengeschäft ein und wuchs als Industriebank unter Alfred Herrhausen zum „Global Player“ heran. Das Auslandsgeschäft trägt heute fast 50 Prozent zum „Umsatz“ bei. Nach der Allianz-Versicherung ist der DB-Konzern zur größten Versicherungsgruppe im Lande aufgestiegen (DB-Leben, Gerling, Deutscher Herold).

Sogar wenn was schiefgeht, läßt sich die Deutsche Bank die Zeche bezahlen. So geschehen im Falle des abgetauchten millionenschweren Bau-Hasardeurs Schneider: Die vielen netten Grundstücke in bester City-Lage, die jetzt der DB gehören, dürften sie für die flüchtigen Kredite entschädigen.

Wichtigster Grund für den Dauersieg der Bank ist die Verflechtung mit Politik und Industrie. An entscheidenden Punkten der Geschichte der BRD war man präsent. So schuf Kanzlerberater Abs die Kreditanstalt für Wiederaufbau und dirigierte die Marshallplan-Gelder. In der aus Frankfurter Sicht kritischsten Phase deutscher Nachkriegspolitik, der Ära Brandt, besetzte man die Spitze der Bundesbank und korrigierte, wo nötig, die sozialliberale Wirtschaftspolitik. Heute vertritt die DB auf den meisten Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften den gewichtigsten Stimmblock, sie verfügt fast immer über die Sperrminorität. Nichts geschieht gegen ihren Willen.

Von Hermannus Pfeiffer erscheint demnächst im Bund-Verlag das Buch „Sieger der Krise. Der Deutsche-Bank-Report“.