Wer riß Tapsi die Beine aus?

■ Der Sittichmord von Willich bleibt ungesühnt, Dackel Cindy wurde freigesprochen

Krefeld (taz) – In einer lauen Juninacht des vergangenen Jahres packte den Rauhhaardackel Cindy die Jagdlust. Lieblich umspielten Geruch und Gesang hilfloser Nymphensittiche aus Nachbars Garten Schnauze und Schlappohr der Dackeldame. Sie folgte dem Ruf der Wildnis: Unbarmherzig bohrte sich Cindy ein Loch durch den Zaun, heimtückisch pirschte sie sich an ihre Opfer heran. Was dann geschah – wir wissen es nicht. Minuten später sorgte ein spitzer Schrei für Aufruhr in der Reihenhaussiedlung: Der Nymphensittich Tapsi ward halbtot in seinem Käfig gefunden. Seine Beine lagen ausgerissen daneben.

Ein trauriger, ein grausamer Fall und doch ein Vorgang von fast alltäglicher Banalität. Wessen Hoppelhäschen wurde nicht von Nachbars Waldi gerissen, wer von uns mußte nicht auch schon den Verlust seines Meerschweinchens, ermordet von einer Bande blutrünstiger Katzen, hinnehmen. Doch diesmal schien ein Ende des ungestraften Haustiermordens in Sicht: Cindy, dem Dackel aus Willich, wurde im Krefelder Amtsgericht der Prozeß gemacht (Az 4c 1003/94). Die Beweislage war denkbar schwierig, Zeugen waren keine zugegen. Stefan und Elke Vander, Ex-Besitzer des inzwischen verstorbenen Tapsi, erhoben Schadensersatzforderungen in Höhe von 100 Mark an Sonja Jütten, Frauchen von Cindy. Diese konnte an ihrem Liebling nichts Mörderisches erkennen. Katzen hätten den Vogel auf dem Gewissen, meinte die 44jährige, oder auch dessen Artgenossen: „Da müssen fünf Vögel in dem Käfig gewesen sein, der in der prallen Sonne auf der Terrasse stand. Die Sittiche sind durchgedreht und haben sich selbst angegriffen.“

Cindy folgte der Verhandlung vor Gericht brav und aufmerksam. Auch als man sie zur Probe vor einen Käfig mit Wellensittichen setzte, demonstrierte sie aggressionsfrei und schwanzwedelnd ihr freundliches Wesen. Sollte die Dackeldame doch nicht identisch sein mit dem feigen Vogelmörder? Vermutlich werden wir es nie wissen. Auch die Ankläger ziehen sich zurück: „Wir sind mit den Nerven am Ende“, flüstert Elke Vander ins Telefon: „Ständig bekommen wir anonyme Anrufe. Wir wollen unsere Ruhe haben.“ Gestern wurde im Amtsgericht Krefeld das Urteil gesprochen: Dem Dackel, so sprach der Richter, könne nichts nachgewiesen werden. Simone Miller