Horror in der Schwarzwaldklinik

■ „Geister“ – grotesk-komische Soap-opera. arte, Sa., 20.40 Uhr

Daß die Dänen meist blond sind und karierte Kühe haben, die Buko geben, wußten wir; daß sie ihr Bier Øl nennen und es frisch gezapft auch noch als Fad Øl anpreisen – auch oft belächelt. Neu ist indes die Erkenntnis, daß sich da unter dem Einfluß der klaren Seeluft in letzter Zeit auch ein besonderes Faible fürs Makabre breitzumachen scheint. Zumindest unter den Filmschaffenden. Gerade feiert Ole Bornedal mit seinem Leichenwärter-Thriller „Nightwatch“ Erfolge, da flimmert ab heute eine fünfteilige Mini-Serie von Lars von Trier über den Schirm, die das Leben und Sterben in einer städtischen Krankenanstalt mit höchst eigentümlichem Humor auf die Schippe nimmt.

Da hat der von Selbsterfahrungsgeblubber infizierte Chefarzt gerade eine „Aktion Morgenluft“ zur Förderung des Betriebsklimas initiiert, die nicht nur seinem schwedischen Hirnspezialisten, einem begnadeten Dänen-Hasser („verblödetes Volk“), gehörig auf den Keks geht. Derweil hält es eine andere Ärztin mehr mit Voodoo, und eine putzige Oma, die sich als hartnäckige Simulantin nach jeder Entlassung prompt wieder einweisen läßt, hält in ihrem Zimmer spiritistische Sitzungen ab. Und während ein ehrgeiziger Pathologe auf die Leber eines Krebspatienten scharf ist, die er zur Vollendung seiner wissenschaftlichen Arbeit braucht, albern seine Studenten auch schon mal mit einem abgetrennten Kopf in einer Plastiktüte herum.

Von alldem unbelastet, spülen zwei Mongoloide in der Kellerküche brav die Teller und machen sich nebenbei so ihre Gedanken. Und ständig dringt aus allen möglichen Ritzen die Stimme eines untoten Mädchens aus grauer Vorzeit, das sein tragisches Schicksal beklagt.

Das Ganze wirkt bisweilen, als hätte David Lynch der Schwarzwaldklinik Twin Peaks aufgesetzt, Monthy Python die Regentschaft im OP übernommen und Stephen King den Tupfer gereicht. Mit schlichten, aber effektvollen Mitteln (abgründige Fahrstuhlschächte; ein Labyrinth aus anonymen Gängen) zaubert von Trier aus dem tristen Plattenbau-Krankenhaus einen Ort des unterhaltsamen Grauens.

Das Buch zur Serie hat von Trier, nach eigenem Bekunden ein Fan von Soap-operas, binnen sechs Wochen heruntergeschrieben. Auch der Dreh-Output bewegte sich mit sechs Minuten pro Tag im Bereich der „Lindenstraße“. Der Zeitdruck hat dem Projekt offenbar überaus gutgetan. Denn während von Triers Kinofilme „Element of Crime“ und besonders „Europa“ doch reichlich symbolträchtig und überfrachtet daherkamen, zieht er hier die Ärzteserien erfrischend virtuos und unprätentiös durch den Kakao.

Kurzum, ein Fernsehspaß für die ganze Familie. Um so erstaunlicher, daß dieses Schätzchen ARD- mäßig mal wieder glatt verschenkt wird. Während die Serie bei der Ausstrahlung in Dänemark Marktanteile von bis zu 20 Prozent einfuhr, dümpeln die „Geister“ hier fünf Wochen lang am Samstagabend (!) auf arte dahin. Zwar will der WDR, der sich mit 25 Prozent an der rund drei Millionen Mark teuren Produktion beteiligt hat, das Werk demnächst auch in seinem Dritten versenden, aber innerhalb des streng föderalen Ersten mit seinem ausgeklügelten Senderproporz gibt's für einen Fünfteiler offenbar keine Sendeplätze. Was man nicht groß bedauern muß, aber doch ausgesprochen schlafmützig finden darf. Reinhard Lüke