■ Press-Schlag
: Mit mehr als Muh und Mäh nach oben

Heute plaudern wir mal aus der Schule und gestehen, daß eines Athleten Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit proportional ist zum medialen Feedback.

Präziser: Sagt einer nur Muh oder nicht einmal Mäh, so wird sich die Schar der Reporter schleunigst trollen und anderswo die „Geschichte“ suchen. Den norwegischen Hochsprung-Europameister Steinar Hoen nun extrovertiert zu nennen, hieße womöglich zu untertreiben. Der Mann ist von seltener Freundlichkeit, erstaunlicher Beredsamkeit und bemerkenswerter Professionalität.

Dabei ist es mit seinem Ruhm außerhalb Norwegens soweit noch gar nicht her. Zwar hat er 1994 in Helsinki EM-Gold gewonnen, doch wurden Titel und Höhe (2,35 m) eher ignoriert. Der Grund ist klar: Alle internationale Aufmerksamkeit gilt dem Branchenführer Javier Sotomayor (27), der seit Jahren weit über dem Rest und in eigenen Höhen schwebt, wodurch der Wettbewerb, sagt Hoen, nicht „Soto gegen den Rest, sondern Soto gegen sich selbst“ ist. Und er, die anderen? „Füllen das Feld auf.“

In den Wettkämpfen vor der Hallen-WM hat sich angedeutet, daß dem Olympiasieger im Frühstadium der Saison die Explosivität noch etwas abgeht, er sich mit Routine über für ihn mediokre Höhen plagt. Dort, in den mittleren Dreißigern aber, ist auch Hoen zu Hause. „Ich rechne nicht damit“, winkt der zwar ab, „ihn in Barcelona zu schlagen.“ Aber, sagt Hoen: „Ich will ihm etwas zeigen und den anderen auch.“ Daß international nämlich nichts mehr ohne den 24jährigen Studenten aus Oslo geht, der im Jahr 1991 einen Leistungssprung um 18 Zentimeter auf 2,29 m machte und sich seither kontinuierlich gesteigert hat. Allerdings hat die Branche auch munkeln hören über die Erfolgsgrundlagen dieser neuen skandinavischen Schule, der neben Hoen auch die EM- Fünfte Haugland und deren schwedischer Freund Saernblom angehören.

Neuester Höhepunkt Hoens waren jedenfalls die 2,36 m in Berlin, mit denen er vergangenen Freitag Sotomayors Siegesserie beendete. Wie? Mit einer Taktik, die er auch im morgigen WM-Endkampf anwenden will. „Man muß ihn beschäftigen“, sagt er, „man muß ihn allein springen lassen, darf nicht dieselben Höhen springen.“ Nun hat er sich damit der Weltjahresbestleistung von Sotomayor und Matei (2,38 m) genähert und ist hernach mit großen Augen und weitausgebreiteten Armen zweimal durch die Halle gerast, auf daß es auch jeder richtig mitbekomme. Ein Mann, sagt er, hat „seine Ansprüche“ klargemacht. Und versucht, den anderen ein bißchen nachdenklich zu stimmen: „Er hat jetzt sicher keine Angst vor mir, aber ich bin im Kopf sehr stark.“ Was heißt? „Ich“, sagt Steinar Hoen grinsend, „habe auch keine Angst zu gewinnen.“ Peter Unfried