Rückschritt verhindert

■ Beim UN-Sozialgipfel blockierten Entwicklungs- und Industrieländer

Kopenhagen (taz) – Die rund 750 Klauseln in dem Schlußdokument des UN-Sozialgipfels waren bis gestern nachmittag bis auf eine fertig ausformuliert. Die letzte offene Frage betraf das Verhältnis von Wirtschaftswachstum und nachhaltiger Entwicklung. Die Staats- und Regierungschefs von 121 Ländern brauchen das fertige Dokument dann nur noch offiziell anzunehmen. Nicht dabei sein werden Bill Clinton, John Major, Boris Jelzin und Jassir Arafat sowie die Staatschefs einiger kleinerer Länder wie Malawi, denen die Anreise schlicht zu teuer war.

Die kubanische Delegation hatte noch einmal für Streit gesorgt: Sie forderte eine scharfe Verurteilung einseitiger Handelsblockaden, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Es blieb bei der zahmen Formulierung des Wiener Menschenrechtsgipfels, daß Staaten davon „absehen sollen“.

Vielen regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) erschien der Sozialgipfel als reine Abwehrschlacht, um Rückschritte hinter bereits international vereinbarte Standards zu verhindern. Ein individuelles Recht auf Entwicklung zum Beispiel, auf dem Wiener Gipfel bereits verabschiedet, wurde jetzt, als sei es nicht schon vage genug, wieder von zahlreichen Ländern des Südens in Frage gestellt. Denn es könnte als Eingriff in die Souveränität der Staaten interpretiert werden. Auch bei der Erziehung konnte ein Rückschritt nur knapp verhindert werden. Viele Entwicklungsländer wollten hier einen Bezug auf die jeweilige Kultur festschreiben. Klingt gut, soll aber nur heißen, daß da, wo Mädchen bisher nicht in die Schule geschickt werden, dies auch weiterhin nicht nötig ist. Eine fundamentalistische Allianz zwischen dem Vatikan und dem Iran schaffte es auch beinahe, die Sexualkunde aus dem Dokument zu kippen. Und wo die Entwicklungsländer nicht blockierten, mauerten die Industriestaaten: Schuldenerlaß, weniger Handelsbarrieren oder mehr Geld für Entwicklungsländer waren nicht durchsetzbar.

Der Erfinder des Sozialgipfels, Chiles UN-Botschafter Juan Somavia, will den Prozeß dennoch fortsetzen: „Wir können auf einer solchen Konferenz nur langsam einen Bewußtseinswandel einleiten.“ Erfried Adam von der Friedrich-Ebert-Stiftung führt das in guter sozialdemokratischer Tradition aus: „Soziale Gerechtigkeit ist noch nie mit einem Federstrich erzielt worden. Die muß erkämpft werden.“ Burkhard Gnärig von Terre des hommes ist jedoch skeptisch: „Wenn wir in einer solchen Situation mit massiver Medienöffentlichkeit bei den Regierungen nichts erreichen – was wird passieren, wenn die Kameras abgeschaltet sind?“ Nicola Liebert