EU droht kanadischen „Piraten“ mit Vergeltung

■ Fischereikrieg zwischen Europa und Kanada

Madrid/Brüssel (AFP/taz) – Piraten, soweit man ihrer habhaft wurde, beendeten ihr irdisches Dasein für gewöhnlich an der Rah. Heute sind Strafmaßnahmen subtiler: Gestern verurteilten die EU-Botschafter in Brüssel die Aufbringung des spanischen Fischkutters „Estai“ durch die kanadische Küstenwache in internationalen Gewässern vor der Küste Neufundlands als „illegalen Akt“ und „völlig inakzeptabel“. Und sie reagierten mit ersten Maßnahmen: Beratungen über ein europäisch- kanadisches Fortbildungsprogramm wurden von der Tagesordnung des EU- Forschungsministerrates gestrichen. Nach Angaben des spanischen Fischereiministers Luis Atienza faßt die EU sowohl diplomatische Schritte als auch Handelssanktionen ins Auge.

Scharfe Worte auch von EU-Fischereikommissarin Bonino. Sie bezeichnete den Vorgang als „organisierten Akt der Piraterie“, als „flagrante Verletzung internationalen Rechts“. Spaniens Gewerkschaften forderten gar „einen sofortigen ökonomischen Boykott“ Kanadas. Was war geschehen? Ein Kontrollschiff der kanadischen Fischereibehörden machte am Donnerstag nachmittag Ortszeit einen ersten Versuch, die „Estai“ zu entern, die etwa 18 Meilen außerhalb der kanadischen 200-Meilen-Zone fischte. Die Besatzung der „Estai“ warf die Strickleitern der Kanadier von Bord und kappte ihre Netze. Nach einer Verfolgungsjagd feuerte das kanadische Kontrollschiff vier Schüsse vor den Bug der „Estai“. Daraufhin drehten die Spanier bei. Mehrere bewaffnete Kanadier gingen an Bord, brachten das Schiff unter ihre Kontrolle und zwangen es, Kurs auf den Hafen St. John's zu nehmen.

Die EU-Botschafter verlangten nach einer Dringlichkeitssitzung am Freitag umgehend die Freigabe des Kutters und die Freilassung der Besatzung. Ein Schiff der spanischen Kriegsmarine machte sich inzwischen auf den Weg nach Neufundland, um die spanische Fischereiflotte zu schützen.

Der kanadische Fischereiminister Brian Tobin fühlt sich im Recht. Er kündigte gestern neue Entermanöver an, sollten die spanischen und portugiesischen Fischer weiter ihre Netze nach Heil- und Steinbutt auswerfen. Tobin nannte die Einstellung des Fischfangs für 60 Tage als Bedingung für neue Verhandlungen mit der EU. Seine Regierung wirft den Europäern massive Überfischung des Nordatlantiks vor. Seiten 6 und 11