Wo holt der Senat 110 Millionen Mark her?

■ Senat muß nach Bonner Beschluß über Kulturetat erneut Einsparungen im Haushalt beraten / Selbst der geringe Bonner Zuschuß bleibt vorerst gesperrt

„Ich verbürge mich dafür, daß es keine Schließung von Kultureinrichtungen geben wird“, erklärte gestern die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Irana Rusta, als Reaktion auf den mageren Bonner Zuschuß zum Kulturetat der Hauptstadt. Wie seit vorigem Mittwoch bekannt, fließen statt der 148 Millionen Mark, die die Berliner Haushälter von Bonn erhofft und schon fest im Haushalt eingeplant hatten, 1995 nur 28 Millionen.

An welcher Stelle die fehlenden 110 Millionen eingespart werden sollen, darüber werden sich die Senatoren am Dienstag bei der Senatssitzung die Köpfe zerbrechen. Alle Ressorts werden Federn lassen müssen. Zumindest war dies bei der Sparklausur vom Sommer 1994 beschlossen worden, falls – wie nun eingetreten – weniger Geld aus Bonn kommt.

Auch der kulturpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Albert Eckert, rechnet vor den Berliner Wahlen im Herbst nicht mit der Schließung von Spielstätten. Er befürchtet allerdings, daß der „Spardruck“ im Kulturbereich zunimmt. Es dürfe nicht zu „versteckten Kürzungen“ kommen, indem genehmigte Gelder nicht oder nicht voll ausbezahlt werden. Außerdem müsse in Bonn weiterhin „mit großer Hartnäckigkeit“ für die Berliner Kultur geworben werden. Er bemängelte, daß Kultursenator Ulrich Roloff-Momin die Chance nicht genutzt hat, in Bonn gemeinsam mit dem „Rat der Künste in Berlin“, einem Zusammenschluß von über hundert Kultureinrichtungen, „massiver vorstellig zu werden“. „Die Initiative hätte erfolgreicher sein können.“

Als „Grundfehler“ bezeichnete Eckert, daß der Regierende Bürgermeister Diepgen nicht bereits vor zwei Jahren separat vom Hauptstadtvertrag eine Vereinbarung über die Finanzierung der Berliner Kultur abgeschlossen habe. Über den Hauptstadtvertrag einschließlich der Finanzierung der Berliner Kultur wird der Bundestag voraussichtlich im Sommer entscheiden. SPD-Politikerin Rusta forderte, daß die Bonner Entscheidung über den Kulturetat 1995 „keine Weichenstellung“ für den Hauptstadtvertrag sein dürfe.

Als Kernpunkte nannte sie eine Absicherung aller Berliner Kultureinrichtungen, die der Bund bisher schon anteilig finanziert hat. Dazu gehören die Berliner Festspiele, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Haus der Kulturen der Welt und das Deutsche Historische Museum. Die SPD erwarte auch eine Beteiligung des Bundes an den Kultureinrichtungen, die „eindeutig von nationaler und europäischer Bedeutung“ sind, wie beispielsweise die Staatsoper und das Philharmonische Orchester.

Zudem müsse sich der Bund am Wiederaufbau baulich vernachlässigter Kulturbauten in Ostberlin beteiligen. Über die Verteilung der Gelder müsse jedoch in Berlin entschieden werden. Rusta bezeichnete es als „empörend“, daß der Haushaltsausschuß des Bundestages die bewilligten 28 Millionen Mark vorerst gesperrt hätte und die Vergabe einer Bonner Kommission vorbehalten sei. „Das können wir in Berlin nicht akzeptieren“, sagte sie. Auch Eckert bezeichnete diesen bislang einmaligen Vorgang als „extreme Zumutung“. Diese „Einmischung in die Berliner Kultur“ könne nicht hingenommen werden. Der bündnisgrüne Politiker plädierte dafür, auf die umstrittene Untertunnelung des Tiergartens zu verzichten. Damit ließen sich rund 1,5 Milliarden Mark einsparen. Dorothee Winden