Neuer Tatbestand

■ betr.: „Ihr Bauch gehört ihr seit 4.000 Jahren“, taz vom 6. 3. 95

Der Vorwurf an die bündnisgrünen RechtspolitikerInnen, mit ihrer Forderung nach einer Mindeststrafe von einem Jahr für den neuen Vergewaltigungsparagraphen wollten sie die Entkriminalisierung des Strafgesetzbuches ausgerechnet „beim Sexualstrafrecht erproben“ klingt zwar gut, entspricht aber nicht den Tatsachen.

Derzeit beginnt der Strafrahmen für Vergewaltigung bei sechs Monaten und endet bei 15 Jahren Gefängnis. Die – auch von uns befürwortete – Streichung des „minder schweren Falles“ und die Ausdehnung der Begehungsweisen schafft einen völlig neuen Tatbestand. Hierbei muß es erlaubt sein, auch über dessen Strafrahmen zu diskutieren.

Ich halte eine Mindeststrafe von einem Jahr und damit die klare Einordnung als ein Verbrechen, für das es kaum noch eine Strafaussetzung zur Bewährung geben kann, für eine Lösung, die sowohl den Schutzinteressen der Frauen als auch den bisherigen rechtspolitischen Grundsätzen der Bündnisgrünen gerecht wird. Nicht vergessen werden darf, daß die Gerichte mittlerweile ohnehin sehr viel höhere Strafen für Sexualdelikte verhängen, als während des ersten Durchlaufs dieser Debatte in den achtziger Jahren.

Der vermeintliche Kompromißvorschlag von Rezzo Schlauch (taz vom 17. 2. 95), die Mindeststrafe bei 18 Monaten festzusetzen, brächte zwar eine kreative Neuerung in die Systematik des Strafgesetzbuches, uns aber in der Sache kaum weiter. Martin Köhler, Rechtsanwalt

und Sprecher der Bundesarbeits-

gemeinschaft „Demokratie und

Recht“ von Bündnis 90/

Die Grünen, Bonn