Verfahren wegen Asyl

■ Weil er ausländischen Flüchtlingen in seiner Gemeinde Schutz gewährte, wird gegen Pfarrer Erko Sturm ermittelt

Zum ersten Mal ist in Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen einen Pfarrer eingeleitet worden, der einer aserbaidschanischen Frau und ihrem 17jährigen Sohn in seiner Gemeinde Kirchenasyl gewährt hat. Anfang Dezember hatte eine Gemeinde in Lichterfelde beschlossen, die Frau und ihren ältesten Sohn aufzunehmen, um zu verhindern, daß die Familie getrennt wird. Ende Januar bestätigte die Innenverwaltung, daß das Abschiebeverfahren ausgesetzt wird, bis eine endgültige Entscheidung über den Asylantrag des Ehemannes gefällt ist.

Dennoch stand wenige Tage später ein Polizeibeamter bei Pfarrer Erko Sturm vor der Tür. Der Vorwurf: Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz. „Es ist mir unverständlich, warum gegen mich ermittelt wird“, so Sturm. Das Kirchenasyl wurde nicht von ihm, sondern vom Gemeinderat gewährt. „Außerdem ist das Verfahren gegenstandslos geworden, weil die Innenverwaltung ja selbst entschieden hat, daß die Frau und ihr Sohn vorläufig hierbleiben dürfen“, meint Sturm.

Das sieht man bei der Innenverwaltung anders. „Das Asylverfahren und das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Sturm müssen getrennt beurteilt werden“, so Thomas Raabe, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Inneres. Die Begründung: Zu dem Zeitpunkt, als das Kirchenasyl gewährt wurde, war der Abschiebebescheid noch nicht ausgesetzt worden.

Eine neue Linie im Umgang mit dem Kirchenasyl kann laut Raabe aus dem Fall nicht abgeleitet werden. „Wenn Hinweise auf einen Verstoß vorliegen, sind wir dazu verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten“, so der Sprecher der Innenverwaltung. Einen gesteigerten Handlungsbedarf bei der Erforschung derartiger Fälle sehe die Innenverwaltung jedoch nicht, versicherte er.

Auch in Kirchenkreisen geht man nicht davon aus, daß sich die Linie der Innenverwaltung in puncto Kirchenasyl generell ändern wird. „Es hat immer eine gute Zusammenarbeit der Kirchen mit der Innenverwaltung gegeben“, so Jörg Passoth von der Arbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“. Dem Verfahren gegen Pfarrer Sturm räumt Passoth wenig Chancen ein. „Erst kürzlich hat das Verwaltungsgericht in Bremen entschieden, daß derartige Handlungen nicht rechtswidrig sind, weil die Gemeinden die Behörden über ihre Aktivitäten unterrichten“, erklärt Passoth.

„Asyl in der Kirche“ läßt sich von dem Ermittlungsverfahren nicht beeindrucken. In einer Erklärung, die von knapp 60 Gemeinden unterzeichnet wurde, werden weitere Gemeinden dazu aufgerufen, Flüchtlingen Aufnahme und Schutz zu gewähren. Gesa Schulz