Ein neues Mandat für die Blauhelme

■ Detailverhandlungen um die künftige Stationierung der UN-Soldaten in Kroatien / Rußlands Rolle im Sicherheitsrat

Genf (taz) – Nach Monaten fast völliger Waffenruhe in Kroatien ist es in der Nacht zum Montag im Süden der serbisch besetzten Krajina zu heftigen Artilleriegefechten gekommen. Nach Beobachtung der UN-Schutztruppen (Unprofor) beschossen zunächst serbische Milizen in der Region Drnis Stellungen der kroatischen Regierungstruppen, die daraufhin zurückschossen.

Die Serben wollen mit diesen Angriffen offensichtlich die laufenden Detailverhandlungen zwischen der Regierung in Zagreb und Unterhändlern von UNO und Unprofor über den genauen Umfang, das Mandat, die Zusammensetzung und die Stationierungsorte der UN-Truppen für die Zeit nach dem 31. März beeinflussen. Spätestens nächste Woche soll der UN- Sicherheitsrat endgültige Festlegungen in all diesen Fragen treffen, die auch nach den Erklärungen des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman vom Sonntag noch offen sind.

Gegenüber UN-Generalsekretär Butros Ghali und US-Vizepräsident Al Gore hatte Tudjman am Rande des UN-Sozialgipfels in Kopenhagen seine Zustimmung zum Verbleib von 5.000 der heute nur in den serbisch besetzten Gebieten stationierten 15.000 UNO-Soldaten in Kroatien gegeben. Tudjman verlangt, daß ein großer Teil dieser 5.000 Soldaten künftig an den internationalen Grenzen Kroatiens zu Serbien und Bosnien stationiert werden.

Die Unterhändler von UNO und Unprofor bestehen bislang auf der Zahl von 6.000 Soldaten als mindestens notwendig, um weiterhin die Einhaltung der Waffenruhe in den serbisch besetzten Gebieten kontrollieren sowie künftig zumindest „neuralgische“ Abschnitte der internationalen Grenzen Kroatiens überwachen zu können. Als neuralgisch gelten all jene Abschnitte, über die derzeit völlig ungehindert Serbien die Krajina-Serben unterstützt und diese wiederum den bosnischen Serben helfen: mit Material, Waffen, Soldaten oder mit Artilleriebschuß auf Stellungen der bosnischen Regierungsarmee. Zudem sollen nach UNO/Unprofor-Vorstellungen nur rund zehn Prozent der künftigen UNO-Truppe – also maximal 600 Soldaten – an den internationalen Grenzen Kroatiens stationiert werden. Zagreb drängt auf die Erhöhung dieser Zahl. Die Krajina-Serben – offiziell nicht an den Gesprächen beteiligt – wollen dagegen weniger.

Laut Mitteilung von UNO-Generalsekretär Butros Ghali nach seinem Kopenhagener Gespräch mit Tudjman soll der Sicherheitsrat auch das Mandat für die künftige UNO-Truppe in Kroatien „neu bestimmen“. Neben einem neuen Namen geht es dabei insbesondere um die Frage, ob vor allem die künftig an den internationalen Grenzen stationierten Blauhelme ihre Waffen nicht nur (wie nach dem bisherigen Mandat für die Unprofor in Kroatien) zur Selbstverteidigung einsetzen dürfen, sondern auch, um Grenzübertritte sowie Material-und Waffenlieferungen zu verhindern. Um ein solches erweitertes Mandat auch effektiv umsetzen zu können, müßte die künftige UN-Truppe stärker mit schweren Waffen ausgerüstet werden, als die bisherigen Verbände in Kroatien.

Schließlich geht es um die Zusammensetzung der neuen UN- Truppe. Westliche Regierungen würden die Gelegenheit der Verringerung und teilweisen Verlegung der UNO-Soldaten gerne dazu nutzen, die Anwesenheit russischer und ukrainischer Einheiten in den serbisch besetzten Gebieten zu beenden. Nach Aussagen westlicher Diplomaten in Zagreb liefern diese Einheiten den Krajina- Serben regelmäßig Waffen und Munition. Die Krajina-Serben werden nicht zuletzt deshalb auf dem Verbleib der Blauhelme aus Rußland und der Ukraine bestehen. Sie dürften sich mit diesem Wunsch auch durchsetzten. Denn alle Entscheidungen über die künftige UNO-Truppe in Kroatien sind im Sicherheitsrat von der Zustimmung Moskaus abhängig. Andreas Zumach