Risikodialog mit Ciba

Schweizer Gentech-KritikerInnen schlossen einen Vertrag mit dem Chemiekonzern Ciba-Geigy  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Gentech-GegnerInnen vom „Basler Appell“ haben vor kurzem nach langen Auseinandersetzungen einen Vertrag mit dem Chemie-Konzern Ciba- Geigy geschlossen. Darin verpflichten sie sich, keine Rechtsmittel gegen Cibas erste Schweizer Gentech-Produktionsanlage einzulegen. Im Gegenzug verspricht das Unternehmen, Änderungen an der Anlage den KritikerInnen sofort mitzuteilen. Über diese Veränderungen ist dann ein nicht näher definierter „Risikodialog“ zwischen Ciba und seinen KritikerInnen vorgesehen. Ein erneuter Verzicht auf Rechtsmittel bei Scheitern dieses Dialogs ist im Vertrag jedoch ausdrücklich nicht festgeschrieben.

Hintergrund des ungewöhnlichen Kontrakts ist das Kopf-an- Kopf-Rennen der beiden Pharmariesen Hoechst und Ciba-Geigy bei der Markteinführung des Blutgerinnungshemmers Hirudin. Der Wirkstoff, der die Neigung zu Thrombosen verhindern kann, soll gentechnisch hergestellt werden. Gegenüber dem bisher üblichen konventionell produzierten Wirkstoff Heparin soll Hirudin deutliche therapeutische Vorteile aufweisen. Ciba rechnet für das neue Produkt mit einem Markt von 330 Millionen Mark pro Jahr.

Aufgrund der in zahlreichen Industriestaaten stattfindenden „Gesundheitsreformen“ sind für die Pharmaunternehmen überdurchschnittliche Renditen nur noch mit hochinnovativen Präparaten möglich. Dabei kommt es dann aber entscheidend darauf an, Erstanbieter auf dem Weltmarkt zu sein. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, daß Ciba die Sicherheitsbedenken des „Basler Appells“ als sperrigen Klotz am Bein empfindet. Anfang der neunziger Jahre wollte Ciba in Basel ein multifunktionales „Biotechnikum“ unter anderem zur Hirudin-Herstellung bauen. „Wir haben dann aber beschlossen, die Anlage lieber im elsässischen Hüningen anzusiedeln“, so Ciba-Sprecher Patrick Kaiser, „weil wir in Basel mit Rechtsstreitigkeiten von nicht absehbarer Dauer rechnen mußten. Im Elsaß gab es keinerlei Einsprüche.“

Damit hatte Ciba den „Basler Appell“ aber noch nicht abgeschüttelt, denn das Biotechnikum im Elsaß, nur wenige Kilometer von Basel entfernt, wird erst 1998 produktionsbereit sein. Für klinische Tests und ähnliches müssen jedoch schon im Vorfeld rund 100 Kilo Hirudin zur Verfügung stehen. Diese „Markteinführungsmenge“ muß Ciba übergangsweise in seinen Basler Anlagen produzieren. In einem Schnellverfahren ohne Beteiligung der Öffentlichkeit genehmigte die Kantonsregierung von Basel-Stadt im Jahr 1992 die Umbauten – was wiederum den „Basler Appell“ auf den Plan rief. Die KritikerInnen klagten ein ordentliches Baubewilligungsverfahren ein. „Wir wollten mal sehen, ob sich auch die Chemiekonzerne an die Schweizer Gesetze halten müssen“, erinnert sich „Appell“-Sprecherin Florianne Koechlin. Nach zwei vorinstanzlichen Niederlagen erhielt die Initiative im November 1994 beim Schweizer Bundesgericht schließlich recht.

In Windeseile veröffentlichte nun die Kantonsregierung die Pläne, doch die Gentech-KritikerInnen nutzten die Publizität und verglichen staunend die Blaupausen mit der inzwischen produktionsbereiten Anlage. „Sie wies zahlreiche Abweichungen gegenüber den eingereichten Plänen auf“, monierte Florianne Koechlin. Eine entsprechende Klage hätte die Produktionsaufnahme zumindest weiter verschieben können.

Dieses Dilemma des Pharma- Unternehmens nutzten die KritikerInnen zu einem überraschenden Vorstoß. Sie präsentierten einen Vertragsentwurf nach dem Motto „Klageverzicht gegen Informationsrechte“. Ziel der AktivistInnen war vor allem – wie schon beim Streit um das Biotechnikum –, einen „Blankoscheck“ für Ciba zu vermeiden. Denn das Unternehmen kann heute noch nicht sagen, was mit seiner Basler Gentechnikanlage geschehen soll, wenn es in drei Jahren die Hirudin- Produktion im elsässischen Hüningen aufnimmt.

Zur Überraschung des „Basler Appells“ akzeptierte Ciba den Vertrag sofort. Die KritikerInnen haben mit ihren Informationsrechten nun immerhin den Fuß in der Tür. Dagegen wurde die Produktion von Hirudin, bei der Blutegel- Gene in Hefe eingebaut werden, als wohl gerade noch akzeptabel angesehen. „Dieses Verfahren gehört nicht zu den risikoreichsten der Gentechnologie“, begründet die Biologin Florianne Koechlin die Kehrtwendung.

Für gewisse Beruhigung sorgte dabei, daß Ciba freiwillig über die gesetzlich vorgesehenen Sicherheitsanforderungen hinausgehen will. So sollen Abwässer, Abluft und feste Abfälle sterilisiert werden, bevor sie in die Umgebung gelangen. Derartige Maßnahmen sind rechtlich erst in Sicherheitsstufe zwei vorgesehen. Das Unternehmen will mit Hilfe dieser Vorkehrungen aber nicht etwa Umweltgefahren eindämmen, wie Ciba-Sprecher Kaiser einräumt: „Die Produktion ist nicht gefährlich. Wir haben vielmehr Angst vor Industriespionage. Deshalb darf nichts nach draußen dringen, was den Konkurrenten erlaubt, den Genabdruck zu identifizieren.“

Beatrix Tappeser, Gentech-Expertin des Freiburger Öko-Instituts, findet diese Begründung äußerst aufschlußreich: „Damit gibt auch Ciba indirekt zu, daß Organismen außerhalb des Labors durchaus überlebensfähiger sind, als bisher immer behauptet wurde.“ Nach Angaben Kaisers ist das für die Hirudin-Produktion aber auch nie behauptet worden. „Diese Hefestämme sind doch völlig harmlos. Warum sollten wir die so problematisieren?“

Der „Basler Appell“, ein Verein mit rund 500 Mitgliedern in der ganzen Schweiz, will trotz der jüngsten Zugeständnisse seine grundsätzliche Opposition gegen die Gentechnologie beibehalten. „Der Druck von Regierung, Wirtschaft und Medien in Basel ist aber enorm“, räumt Koechlin ein.