Neonazis mißhandelten „Verräter“

■ Im sächsischen Beiersdorf simulierten rechte Jugendliche ein „regelrechtes Exekutionskommando“ und bedrohten einen ehemaligen Mitläufer ihrer Gruppe

Bautzen (taz) – Eine Gruppe Rechtsradikaler hat am Freitag im sächsischen Landkreis Bautzen einen 22jährigen brutal mißhandelt und mit dem Tode bedroht. Lothar Hofner, Sprecher des Landeskriminalamtes, teilte gestern mit, sechs Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren hätten ihr Opfer in Beiersdorf auf offener Straße zusammengeschlagen und sich als „regelrechtes Exekutionskommando“ aufgeführt. Ihrem einstigen Mitläufer, der sich von der Gruppe trennen wollte, hielten sie eine Schreckschußpistole ins Genick und ein Messer an die Pulsader. Mit der Drohung, den „Verräter“ zu erschießen, falls er eine Anzeige erstatten sollte, schossen sie ihm zweimal über den Kopf. Das Opfer mußte ärztlich behandelt werden und erstattete sofort Anzeige.

Beamte der Sonderkommission Rechtsextremismus (Soko Rex) und der Polizeidirektion Bautzen nahmen in derselben Nacht sechs Tatverdächtige fest. In den Wohnungen der Neonazis fanden die Ermittler Schreckschußwaffen, Vorderlader, Luftdruckgewehre, Munition, Messer und neonazistisches Propagandamaterial. Am Waldrand von Cunewalde, einem größeren, dichtbesiedelten Dorf, fanden die Beamten außerdem eine zu militärischen Übungszwecken hergerichtete und unter Tarnnetzen versteckte Scheune. Dort stellten sie Funkgeräte aus Beständen der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA) sicher.

Gegen drei der festgenommenen Jugendlichen erwirkte die Bautzener Staatsanwaltschaft Haftbefehl; gegen zwei junge Männer und eine Frau wird noch der Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz geprüft.

Hofner erklärte, die Gruppe würde sich zu „rechtsradikaler Gesinnung“ bekennen, sei aber bisher in diesem Bereich als Täter nicht aufgefallen. Die drei Festgenommenen seien jedoch wegen mehrerer Eigentumsdelikte und aufgrund von Körperverletzung „polizeibekannt“. Verbindungen der Neonazi-Gruppe zu anderen Organisationen in Sachsen oder anderen Bundesländern bestehen nach bisherigem Ermittlungsstand nicht.

Bis zur Anzeige des mißhandelten Jugendlichen hätte es keinerlei Hinweise auf diese paramilitärische Gruppierung gegeben. Hofner verwies außerdem auf die von der Sonderkommission Rechtsextremismus für Sachsen festgestellte Tendenz, wonach sich rechtsextremistisch motivierte Täter zumeist aus einem engeren lokalen Umfeld zusammenfänden. Tendenzen zu einer überregionalen Vernetzung von Rechtsextremisten seien bisher nicht nachgewiesen worden. Detlef Krell