Giftspritzen im Grundgesetz

■ Protest gegen Flüchtlingspolitik vor dem Haus der Geschichte

Bonn (taz) – Verwirrung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Die Institution, einst Lieblingsprojekt von Kanzler Kohl, soll tatsächlich Menschenrechtsverletzungen an Abschiebehäftlingen in deutschen Gefängnissen zum Thema machen? Das zumindest versprachen Einladungen mit offiziellem Museumslogo.

Doch von der Ausstellung zum „Umgang mit Flüchtlingen in diesem Land“ war gestern in dem Haus im Bonner Regierungsviertel weit und breit nichts zu sehen. Statt dessen postierten sich Mitglieder des „Büros für notwendige Einmischungen“ vor dem Eingang. Sie schleppten ein blaues Holzgestell mit Glasvitrine heran. Die Auflösung des Rätsels: „Wir begrüßen Sie ganz herzlich zu der Ausstellung, die leider nicht im Haus der Geschichte stattfindet, sondern davor.“ Frank Eyssen, Initiator der Aktion, freute sich sichtlich angesichts von zehn neugierigen Journalisten darüber, daß die gefälschte Einladung „so gut gelungen“ war. Weniger erfreut über das Plagiat war Peter Hoffmann, Pressereferent des Museums. Er fand die Benutzung des Logos „nicht korrekt“. Frank Eyssen gab sich uneigennützig: „Wir wollen dem Haus der Geschichte nur helfen, ein dunkles Kapitel der aktuellen Politik zu dokumentieren.“

Eindrucksvollstes „Ausstellungsstück“ war die Vitrine mit Original-Handschellen, Beißschutz und Spritzen mit Psychopharmaka, die nach Informationen des „Büros“ in Gefängnissen in Nordrhein-Westfalen eingesetzt werden, um Flüchtlinge ruhigzustellen. Eyssen sieht darin eine Verletzung der Menschenwürde und damit einen Verstoß gegen das Grundgesetz.

Folgerichtig hatte er ein „ruhiggestelltes Grundgesetz“ mitgebracht. Das Büchlein mit dem Bundesadler war von drei Beruhigungsspritzen durchbohrt. „Ein Thema für das Haus der Geschichte“, meinte Eyssen und schickte sich an, die Vitrine in das Museum zu tragen. Es sollte ein „Geschenk“ ans Museum sein.

Pressesprecher Hoffmann reagierte gelassen. Artig bedankte er sich, machte jedoch im selben Atemzug klar, daß „Ausstellungen grundsätzlich angemeldet und geprüft werden müssen“. Deshalb könne die Vitrine auch nicht gleich in die Ausstellungsräume gebracht werden. Sie lande erst einmal „in der Anlieferung“. Und die ist im Museumskeller. Kirstin Hausen