■ beiseite
: Täfelchen im DHM

Ausstellungen bestehen aus Exponaten und Erläuterungen. Wenn es sich bei den Exponaten um „Bilder und Zeugnisse der deutschen Geschichte“ handelt, ist der Erklärungsbedarf besonders hoch. Das dachten wohl auch die Verantwortlichen im Deutschen Historischen Museum und beschlossen, ganz viele Informations- Täfelchen in ihre Dauerausstellung zu hängen. Dann wurde jemand beauftragt, die Werke tüchtig zu erforschen und die Resultate auf eben jenen Täfelchen zu verewigen. Das Ergebnis lohnt schon allein einen Ausstellungsbesuch.

So lehrt das Schildchen neben der Habsburger-Genealogie beispielsweise: „Wer einen Stammbaum hat, der hat auch Zukunft.“ Eine bedrückende Wahrheit, reicht die Kenntnis meiner eigenen Ahnengalerie doch nicht weiter als bis zu den Urgroßeltern. Der Gedanke an die düstere Prognose schwindet erst bei der Lektüre des Täfelchens zum Bildnis Christi mit der Weltkugel: „Christus wirbt für einen Globenhersteller – so könnte das Bild heißen.“ Der Heiland als Persilmann, die Achtung vor dem Scharfsinn des Verfassers oder der Verfasserin steigt.

Mein Respekt wächst weiter, als ich die harsche Kritik an den Szenen des mittelalterlichen Stadtlebens studiere: „Nicht die revolutionäre Bewegung, nicht der Bauernkrieg und die Ritterrevolte, nicht der wirtschaftspolitische Griff nach Übersee und auch nicht die Umgestaltung des Reiches unter dem Habsburg-Kaiser Karl V. fanden Eingang in diese detailreiche Schilderung des Augsburger Lebens.“ Nur verlegen werfe ich einen kurzen Blick auf die vier riesigen Bilder, die alles Wesentliche unterschlagen.

Bei dem Gemälde „Mars zerstört den Tempel der Minerva“ zeigt sich der oder die unbekannte Kommentierende hingegen nachsichtiger: „Krieg und Frieden kann man gewiß auch einfacher darstellen. Aber um 1700 liebte man die barocke Weitschweifigkeit.“ Wissend um all die ganz schlichten Illustrationen von Krieg und Frieden, erscheint mir diese Analyse ebenso prägnant wie tolerant. Von Verständnis für die barocke Üppigkeit zeugt auch die Erläuterung zu dem silbernen Reiseservice: „Während sich die Besitzerin schminkte und die Frisur herrichten ließ, konnte sie kleine Mahlzeiten einnehmen und Gäste empfangen. Als Gegenleistung werden die Besucher der vor ihnen entstehenden Schönheit Beifall gespendet haben.“ Vor meinem geistigen Auge entsteht ein Bild von Omelett und Lippenrot, begleitet von heftigem Applaus. Beunruhigend. Solcher Hellsicht kann ich nicht mehr folgen.

Bei der Vitrine mit sächsischen Porzellanminiaturen wird meine Ratlosigkeit noch größer: „Was Porzellan noch nicht konnte, das erfuhren die beiden Bildhauer Johann Gottlieb Kirchner und Joachim Kaendler in der Meißner Porzellanmanufaktur.“ Schnell lese ich weiter und stelle fest, daß das unfähige Porzellan bloß noch keine größeren Skulpturen formen konnte. Die bestürzendste Erkenntnis folgt dann neben einem Wandteppich mit dem Bild Kaiser Wilhelms II.: „Auch Teppiche können irren.“ In diesem Fall bezüglich der Uniformfarbe. Verwirrt gehe ich zum Ausgang.

Auf dem Heimweg denke ich noch lange nach, über meinen Stammbaum und die Teppiche. In diesen Tagen soll der Ausstellungskatalog erscheinen. Mit 800 farbigen Abbildungen und dazu neuen Forschungsergebnissen. Ich freue mich drauf.Dorthe Ferber