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■ Interview zu den aktuellen EnergiekonsensgesprächenKohle oder AKWs? – Falsche Frage!

Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker ist Leiter des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie

taz: Herr von Weizsäcker, die Bonner FDP hat jetzt eine Energiesteuer als Ersatz für den Kohlepfennig zur Subventionierung der deutschen Steinkohle abgelehnt. Freut das einen Ökologen und Klimaforscher?

Ernst Ulrich von Weizsäcker: Nein!

Auch absolut möchten Union und FDP den Subventionsbetrag durch eine „vertretbare Absenkung“ verringern. Dadurch wird zumindest ein verstärkter Druck erzeugt, die Kohleförderung zu reduzieren. Ist das kein Weg in die richtige Richtung?

Wenn das Ganze nicht eine ideologisch gefärbte Blockadepolitik gegen eine Energiesteuer gewesen wäre, dann könnte man vielleicht unterstellen, die Operation diene auch dem Ziel, mittels Erhöhung der Energieproduktivität zu einem geringeren Kohleverbrauch zu kommen. Soviel ich sehe, ist das aber nicht die Absicht der FDP.

Der SPD-Verhandlungsführer bei den heute beginnenden Energiekonsensgesprächen, Gerhard Schröder, wollte den Streit um die Kohlesubventionierung für eine Förderwende nutzen. Ab dem Jahr 2000 sollte die Subventionierung regenerativer Energien und Förderung des Energiesparens massiv zu Lasten der Kohlesubventionierung ausgeweitet werden. War das nicht ein vernünftiger Ansatz?

Die Gedankenrichtung ist vernünftig, der Begriff „Subvention“ ist falsch.

Warum?

Mit einer ökologischen Steuerreform würde man eine deutliche Verbesserung der Enegieeffizienz und gewiß auch eine Ausweitung alternativer Energiequellen erreichen. Eine solche Steuerreform würde zudem Subventionstatbestände mehr und mehr verschwinden lassen und gleichzeitig die Volkswirtschaft reicher machen.

Wie könnte die Energieeffizienz praktisch gesteigert werden?

Ich bin im Begriff, zusammen mit dem Amerikaner Amory Lovins, der gelegentlich als der Energiesparpapst bezeichnet wird, ein Buch mit dem Titel „Faktor Vier – Doppelter Wohlstand – Halbierter Naturverbrauch“ zu schreiben, in dem wir vierzig Beispiele geben, wie man eine Vervierfachung des Wohlstands pro eingesetzter Ressourceneinheit erreichen kann. Das geht quer durch den Garten: von Automobilen über Wohnungen, Textilien bis hin zu den Nahrungsmitteln. Das heißt, wir könnten bei doppelt so hohen Energiepreisen und halb soviel Energieverbrauch die jährlichen Kosten für Energie konstant halten und gleichzeitig wesentlich mehr Wohlstand für unser Volk produzieren.

Welche politischen Entscheidungen wären dafür nötig?

Es gibt im wesentlichen zwei Strategien. Die eine läuft unter dem Stichwort „least cost planing“. Das heißt, daß man neue Kraftwerkskapazitäten nicht genehmigt, wenn es billigere Formen gibt, die vermutete Energielücke zu schließen. Dann stellt man – wie etwa in Kalifornien – sehr schnell fest, daß riesige Einsparpotentiale zu wesentlich geringeren Kosten als beim Kraftwerksneubau zu realisieren sind. Die zweite Strategie umfaßt die ökologische Steuerreform. Hierbei geht es darum, Energie und Primärrohstoffe jedes Jahr um einen kleinen Betrag, etwa fünf Prozent, zu verteuern und dafür etwa die Lohnnebenkosten zu senken. Für Arbeitgeber wird es dadurch immer interessanter, Kilowattstunden und Ölfässer arbeitslos zu machen, statt Menschen.

Bei der Industrie stoßen diese Vorschläge auf wenig Gegenliebe. Der RWE-Chef Dietmar Kuhnt hat sich erst jüngst darüber beklagt, daß der Energieverbrauch schon heute mit 90 Milliarden Mark im Jahr viel zu hoch besteuert werde ...

Erstens möchte ich diese Rechnung von Herrn Kuhnt mal sehen. Der größte Teil davon fällt auf die Mineralöl- und Mehrwertsteuer. Zweitens rechnet er dabei nicht die Subventionen zur Förderung des Energieverbrauchs ein. Richtig ist aber, daß man im Industrielager Angst vor einer ökologischen Steuerreform hat. Ich würde auch kompromißbereit sein und die ökologische Steuerreform so gestalten, daß keine Kapitalvernichtung eintritt. Man könnte etwa der energieintensiven Industrie, wie in Dänemark, eine gewisse Ausnahmeregelung einräumen.

Bei der heutigen Energiekonsensrunde versuchen die Regierungsparteien, die SPD über Zugeständnisse in Sachen Kohleförderung zum Einlenken bei der Atomenergie zu bewegen. Fällt bei dem Handel etwas für die Umwelt ab?

Die Alternative Kohle oder Kernkraft ist rückwärtsgewandt. Wenn wir im 21. Jahrhundert auf dem Weltmarkt im Energieerzeugungs- und Energienutzungsbereich konkurrenzfähig sein wollen, müssen wir die rückwärtsgewandte Sicht überwinden und die Erhöhung der Energieproduktivität als das Zentrum des Energiekonsenses begreifen lernen.

Sind Konsensgespräche aus Ihrer Sicht überhaupt noch sinnvoll?

Wenn die beiden von mir genannten Strategien positiv in einen Energiekonsens eingebaut würden, könnte man von mir aus in bezug auf die rückwärtsgerichtete Alternative Kohle oder Atomkraft nahezu Beliebiges beschließen, und ich wäre einverstanden. Weil ich vermute, daß sich diese Alternative dann innerhalb von 30 Jahren in Luft auflöste.

Welche Energieträger hätten wir dann?

Man würde existierende Anlagen bis zu deren „natürlichem“ Ende fortnutzen – einschließlich Kohle und Kernenergie –, aber man würde keine müde Mark in die Erweiterung von Kernkraft- oder Kohleanlagen stecken.

Die Stromversorgung beruht bei uns zu 90 Prozent auf Steinkohle-, Braunkohle- und Atomanlagen. Was soll an deren Stelle treten?

Wenn wir eine Vervierfachung der Energieproduktivität bekommen, dann heißt das, daß 75 Prozent der heutigen Energieleistungskapazitäten überflüssig werden. Für die restlichen 25 Prozent stünden zu den dann relativ hohen Energiepreisen – langfristig würde es bei meinem Konzept innerhalb von 40 Jahren zu einer Verachtfachung kommen – Sonnen-, Wind-, Wasser-, und Biomasseanlagen im ausreichenden Maße zur Verfügung und sie wären kommerziell einsetzbar. Wenn aber doch noch ein Restbestand von 10 Prozent des heutigen Kuchens an Atom- oder Kohleenergie überbliebe, würde das den ökologischen Zielen keinen Abbruch tun.

Wie sieht die Arbeitsplatzbilanz in ihrem Umbaukonzept aus?

Gesamtwirtschaftlich ist die Effizienzrevolution im Umgang mit den knappen Naturgütern die beste Arbeitsplatzsicherungsstrategie. Für den Weltmarkt bietet diese Strategie das einzig zukunftsträchtige Modell, das neue Beschäftigungsfelder im relevanten Ausmaß verspricht. Interview: Walter Jakobs

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