■ Kurierdienst für fette Pudel und magenverstimmte Kröten
: Die mit dem Wolf fahren

Berlin (taz) – „Ich habe mich letzte Nacht schon so aufgeregt“, sagt Frau Müller, „dann saßen die Haare heute morgen nicht, da kommt ja eins zum anderen. Und jetzt auch noch die Sache mit Putzi.“ Das ist der schwarze Kater ihrer Mutter, die seit einigen Wochen im Hospital liegt. Seitdem pendelt Frau Müller zwischen Krankenbett und Katzenklo. Doch die Arbeit wird ihr zuviel. Putzi soll ins Tierheim. Und in solchen Fällen wird gerne der Wolf gerufen.

Der Wolf hat ein Haustiertaxi. Er heißt mit Vornamen Stephan. Jeden Tag fährt er das liebe Vieh durch Berlin: den fetten Pudel zum Gassigehen, die magenverstimmte Schildkröte zum Tierarzt, die schwerkranke Sau zur Klinik.

„Putzi läßt sich nicht anfassen“, erklärt Frau Müller dem Wolf, „und wenn er unter der Badewanne steckt, dann kommt er drei Tage nicht mehr heraus.“ Der Wolf krallt sich ein Fangnetz. Die Jagd beginnt. Ein Blick unter die Matratze. Nichts. Blitzschnell zieht er an der Bettdecke. Der Kescher knallt aufs Laken. Putzi sprintet ins Wohnzimmer, der Wolf hinterher. Nur Frau Müller, die schleicht wie auf Samtpfötchen in die Küche. „Ich kann's nicht sehen“, schluchzt sie, „es zerreißt mir fast das Herz.“ Sie ist schwarz gekleidet; auf dem Kopf trägt sie einen Turban, um, wie sie sagt, „nicht so verwahrlost auszusehen“. Kalter Schweiß flimmert in ihrem grell geschminkten Gesicht. Ihre Hände zittern. „Putzi hat in der Kindheit einiges mitgemacht“, fährt Frau Müller fort, „seitdem ist er verhaltensgestört.“ Dabei blinzelt sie durch einen Türspalt in den Flur, wo der Wolf die Katze gerade in den Korb bugsiert. Putzis Schwanz ist so dick wie sein Hals. „Geschafft“, sagt der Wolf erleichtert und stellt die Rechnung: „Macht 37 Mark und fünfzig.“ Die Anfahrt kostet 15 Mark, jeder Kilometer 185 Pfennig. Wolf wirbt für sein Unternehmen nur im Kino. Einen Taxameter hat er nicht.

Auf der Fahrt ins Tierheim gibt Putzi keinen Ton von sich. „Tiere merken, wenn sie ins Heim kommen“, sagt Stephan Wolf. Die Idee, ein Haustiertaxi zu gründen, hatte der Mann mit dem Schnäuzer und dem Nackenschwänzchen vor zwei Jahren. Nach einer Fete: Sein Schäferhundrüde Rex lag mit über 40 Grad Fieber im Flur. Da der Wolf tüchtig gebechert hatte, rief er ein Taxi, das den Hund zum Tierarzt fahren sollte. Kein Taxi kam. Rex konnte dennoch gerettet werden. Kurz darauf meldete Wolf sein Gewerbe an. Seitdem, sagt er, erlebt er die tollsten Geschichten. Nur manchmal stinkt es dem Wolf. Unlängst beispielsweise mußte er eine Zweizimmerwohnung räumen. Neben einem Ehepaar bevölkerten „42 Katzen, ein Hund und jede Menge Fliegen“ die Behausung. Da hat sich Wolf einen Mundschutz („mit eingelegtem Erfrischungstuch“) ins Gesicht gebunden, seine „dreckigen Klamotten anschließend weggeworfen“.

Wolf hat zu DDR-Zeiten Blindenhunde abgerichtet. Im Berliner Tierheim Lankwitz ist der 33jährige bekannt wie ein bunter Hund. „Hallo Stephan“, grüßen ihn die Angestellten, indes die Mischlingsköter vor lauter Freude kläffen und mit dem Schwanz wedeln. Oft schustern ihm die Tierhüter auch Aufträge zu.

Beispielsweise wenn es um den Fang wilder Katzen geht, die entweder kastriert oder sterilisiert oder direkt aus dem Verkehr gezogen werden. Wolf sagt: „Manchmal ist das ganz schön gefährlich.“ An scharfe Bißwunden und Kratzer habe er sich gewöhnt. Aber am liebsten seien ihm die Stammgäste. Und wie in einer perfekt ausgetüftelten Inszenierung schaut Wolf plötzlich aus seinem Taxi raus, dreht die Scheibe runter und ruft: „Hallo, Frau Schulze, hallo Gitta. Zwei Stammgäste. Na, so ein Zufall.“

„Meine Gitta“, sagt Frau Schulze, „fährt so gern Auto. Sie läßt sich sogar beim Tierarzt 'ne Pieke geben, nur um ein wenig rumgefahren zu werden.“ Für solche Fahrten sei das Haustiertaxi ja wunderbar. Und während sie von ihrer Gitta prahlt, versucht die parkbankbreite Rottweilerhündin ins Taxi zu hüpfen. Das klappt nicht. Wolf wuchtet sie hoch. Dann fährt er die beiden Damen heim. „Gitta hat Rheuma, deshalb das Mäntelchen“, erklärt Frau Schulze. Für den rot-schwarz karierten Hundejankerl habe sie schon damals 180 Mark berappt. Heute koste er bereits 500 Mark.

„So“, sagt Frau Schulze, „jetzt sag dem Herrn Wolf mal auf Wiedersehen.“ Dann erklärt Wolf ihr noch fix, daß er demnächst auch heulen wird: Beim Berliner Verkehrssenator Hasse hat er gerade ein Martinshorn beantragt. Kann ja sein, daß Gitta mal mit Blaulicht zum Tierarzt muß! Tomas Niederberghaus