Deutsche Adressen

■ Otto Wolff von Amerongen eröffnet einen Unternehmerverband Moskau

Moskau (taz) – Otto Wolff von Amerongen übte das berühmte Pfeifen im Wald. „Wir haben“, sagte der Vorsitzende des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, „Vertrauen in den Standort Rußland.“ Das Bekenntnis hat seine Grenzen. „Die Erschließung des Marktes ist in diesem Land komplizierter als in anderen Teilen der Welt.“ Die Schwierigkeiten sind so groß, daß eine große Anzahl in Moskau akkreditierter deutscher Firmen die Gründung eines gemeinsamen Interessenverbandes nicht mehr aufschieben wollten. Das Kind, das Wolff von Amerongen gestern in der Deutschen Botschaft Moskau öffentlich aus der Taufe hob, heißt „Verband der deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation“. Schon seit einigen Jahren hatte der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) in Moskau eine eigene Repräsentanz unterhalten. Die bisherige Chefin, die bienenfleißige Frau Dr. Andrea von Knoop, steht auch an der Spitze des neuen Gebildes.

Künftig soll es in Moskau eine Adresse geben, wo für deutsche Firmen Informationen über die Lage im Lande sowie Adressen möglicher Geschäftspartner sowie von Anwälten und Wirtschaftsprüfern leicht zugänglich sind. Daß das russische Gesetzesdickicht leicht zur Falle werden kann, zeigen spezielle Untersuchungskommissionen die sich zum Beispiel mit „Steuern und Abgaben“, „Außenhandel, Zoll und Lizenzen“ befassen.

Mitbestimmend für den Zeitpunkt der Verbandsgründung ist der Umstand, daß die Privatisierung der russischen Wirtschaft in ihre zweite Phase eingetreten ist. Firmenanteile können nicht mehr von Inländern gegen Gutscheine erworben werden, sondern nun von Interessenten aller Art gegen Geld. Ausgiebig geschwiegen wurde bei der Pressekonferenz über den Aufgabenbereich „Sicherheit“. Auch oberflächliche Kenner hören da Heerscharen mafioser Nachtigallen trapsen. Das kriminelle Interesse, auf das ausländische Firmen hier treffen, gehört gewiß zu dem, was Otto Wolff von Amerongen als „Rahmenbedingungen, die nicht so gut sind“, bezeichnet. Ganz ausdrücklich zählte er selbst dazu auch den Tschetschenien-Krieg.

Ausdrücklich will sich allerdings der Verband der Einflußnahme auf die russische Politik enthalten. Die Bundesrepublik ist heute mit Abstand der größte Handelspartner der russischen Föderation. Rein freiwillig hatten sich beim DIHT bisher rund 800 in Moskau akkreditierte Unternehmen registrieren lassen – wobei die Joint- ventures nicht einmal mitgezählt sind. Dieser Liste zufolge zieht es Unternehmen aus dem Bereich Maschinen- und Maschinenbau am stärksten gen Rußland. Die reine Zahl der Firmen sagt allerdings noch nichts über den Marktanteil der betreffenden Sparten aus. Der dürfte beim Erdöl und Gassektor, zu dem nur 2,1 Prozent aller in der russischen Hauptstadt vertretenen deutschen Firmen kommen, wesentlich höher liegen. Es lieg nicht an mangelnder Aktivität der Deutschen, meinen die Veranstalter der Pressekonferenz, daß das Handelsvolumen mit Rußland 1992 und 1993 um jeweils 30 Prozent gesunken sei. Schuld sei der Zerfall der UdSSR, unter dem die Handelsbeziehungen mit aller Welt litten. Die Talsohle sei aber durchschritten. Barbara Kerneck