Saubere Freizeit-Polizisten

Der Bericht des Berliner Untersuchungsausschusses zur Skandaltruppe „Freiwillige Polizeireserve“ bringt wenig Neues / Zeugen mit Blackouts,merkwürdige Aktendiebstähle  ■ Aus Berlin Severin Weiland

Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Wolfgang Wieland, wollte der Einschätzung seiner Ausschußkollegen nicht folgen. Weder die neue Organisationsstruktur noch die neuen Einstellungsrichtlinien, noch die alle zwei Jahre stattfindende Überprüfung könnten sicherstellen, daß die Freiwillige Polizeireserve (FPR) auch in Zukunft „nicht als waffentechnische Ausbildungsstätte durch Rechtsextreme genutzt wird“. Wielands abweichender Kommentar – abgedruckt in dem jetzt vorgestellten Abschlußbericht des parlamentarischen FPR- Untersuchungsausschusses – klingt wie eine Mischung aus Ernüchterung und Verzweiflung. Die Aufhellung der kriminellen Machenschaften, die den 2.360 Reservisten zur Last gelegt wurden, blieb nur Stückwerk. Bei seinem Beginn im Oktober 1993 noch von regem öffentlichem Interesse verfolgt, schleppte sich der Ausschuß bis zu seiner letzten Sitzung im Herbst vergangenen Jahres mehr und mehr dahin. Die Zeugen – von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) bis zu leitenden Polizeibeamten – berichteten kaum mehr, als ohnehin eine polizeiinterne FPR-Prüfgruppe festgestellt hatte. Diese war eingerichtet worden, nachdem im Februar 1993 die Medien gemeldet hatten, daß zwölf Berliner an einem „schwunghaften“ Waffenhandel mit Rechtsextremisten beteiligt gewesen sein sollen. Fünf der mutmaßlichen Bandenmitglieder waren, wie im Verlauf eines Ermittlungsverfahrens bekannt wurde, Mitglieder der FPR, zwei weitere standen kurz vor der Aufnahme, einer war vor längerer Zeit aus der Organisation ausgeschieden.

Die polizeiliche FPR-Prüfgruppe sollte ursprünglich den gesamten Personalbestand durchleuchten. Doch 150 Reservisten verweigerten ihr Einverständnis oder verließen die Truppe, die einst während des Kalten Krieges gegründet worden war. Es sei, so meint denn auch Wieland, „nicht sicher, daß nicht die schweren Fälle schon vorher aussortiert worden waren“. Im Verlauf der polizeiinternen Untersuchungen wurden immer neue Zahlen ins Spiel gebracht: Mal waren es anfangs in einem Zwischenergebnis 807 „Erkenntnisfälle“, deren Aussagekraft von leitenden Polizeibeamten jedoch später relativiert wurde.

Zum Schluß blieben nach polizeiinternen Untersuchungen 109 belastete FPR-Mitglieder zurück, die rechtskräftig verurteilt worden waren, davon 71 wegen Verkehrsdelikten. Doch Wieland wirft der Innenverwaltung und den Polizeiprüfern vor, Hinweise auf rechtsextreme Unterwanderung zu keiner Zeit „zielgerichtet“ untersucht zu haben.

Die Durchleuchtung der FPR war von allerlei Merkwürdigkeiten begleitet. So wurden Mitte März vergangenen Jahres aus einem FPR-Büro drei Ordner aus verschlossenen Schränken entwendet. Sie enthielten unter anderem Gedächtnisprotokolle und Unterlagen dreier leitender Polizeibeamter. Da es sich aber um Kopien handelte, konnten sie anhand der Originale wieder rekonstruiert und dem parlamentarischen Ausschuß zur Verfügung gestellt werden.

Auch frühere Vorfälle, die noch in die Zeit der Alliierten-Anwesenheit fielen, brachten wenig Neues. Lange Zeit im Mittelpunkt des Ausschusses stand der Fall des FPR-Mitglieds und Rechtsextremisten Michael Abbas-Yacoub, der sich 1985 beim Sturm der Berliner Polizei auf seine Wohnung erschoß.

Welche konkreten Ergebnisse die anschließende geheime Überprüfung wegen möglicher neonazistischer Anhänger innerhalb der Truppe brachte, bleibt bis heute ein Rätsel. Nur wenige Akten wurden gefunden; auch die Aussagen früherer Beteiligter wie die des CDU-Rechtsaußen Heinrich Lummer (damals Innensenator) waren laut Polizeiprüfgruppe „wenig hilfreich“.

Symptomatisch blieb die Aussage des Ex-Polizeidirektors Günter Waldow bei seiner Befragung zum Abbas-Yacoub-Fall im Untersuchungsausschuß: „Ich bin wirklich selbst erstaunt gewesen, daß wir so wenig Unterlagen und so wenig Erinnerungsvermögen gefunden haben.“