Wand und Boden
: Mitleid mit den Männern

■ Kunst in Berlin jetzt: Per Kirkeby, Ole Klingemann, Thorsten Monschein, LOUIS, Kirsi Mikkola, Cu Cu Cube

„Kunst wird (weiterhin) Architektur“ in der Busche Galerie. Nach Franz Erhard Walthers weichen Stoff-Formationen sind jetzt kleine Bronze-Skulpturen von Per Kirkeby auf den Sockel gehoben. Gegenüber seinen minimalistischen, scharfkantig-exakt gemauerten Backsteinmonumenten etwa in Münster oder Mönchengladbach haben die kleinen schwarzen Modelle allerdings auch einen weichen Zug. Die Erde ist noch nicht im gebrannten Ziegel geometrisiert, sondern plastisches Material, das Kirkeby zu archetypischen, sakralen Bauformen knetet. „Modell für Paris“ ist ein doppelstöckiger Bogengang, während sich das „Modell-Rotterdam“ als breite kreuzförmige Bogenrosette am Boden duckt. Das „Modell für Kiel“ ist noch flacher, zwei sich kreuzende, erhabene Linien betonen die unterliegende Form. Während das „Modell für Münster“ sich kaum vom Boden erhebt, ist das „Modell til murstensskulptur“ ein stolzer, hoher Turm. Paradoxer Effekt der idealen Modell-Architektur: Die in sich eigentlich gewichtigen, massiven Objekte erscheinen skizzenhaft, ihre haptische Oberfläche als zeichnerische Schraffur. Dreidimensionale Architektur tendiert zur zweidimensionalen Kunst.

Bis 22. 4., Mi, Fr 15-18, Sa 11-13 Uhr, Bundesallee 32, Wilmersdorf

Stoff wird Architektur, das kostbare Schutzdach, das bei besonderer Gelegenheit über Heiligtümern und Würdenträgern aufgespannt wurde, zum dauerhaften Baldachin. Notwendigerweise versperrt er den Blick nach oben. Doch die elektronischen Medien schaffen Abhilfe. Unter dem drei Meter hohen „Videobaldachin“ von Ole Klingemann und Thorsten Monschein im Produktionstechnischen Zentrum Berlin ist der Blick in den Himmel frei. Weil die 3 x 3 Monitore nach unten gerichtet sind. Auf ihnen ist Berliner Architektur zu sehen, allerdings nur als Randerscheinung des Blicks ins Blaue. Denn eine vertikal nach oben ausgerichtete Kamera rotierte auf einem sieben-Meter-Arm um das feste Stativ und filmte die Spacelab-Architektur des Ausstellungsortes selbst und andere Motive. Abfolge und Verteilung der neun Motive auf die einzelnen Monitore würfelt ein Computer etwa alle 20 Sekunden aus. Die Random Choice, die das Kaleidoskop der Bilder in Szene setzt, ist allerdings durch Wahrscheinlichkeitsvorgaben eingegrenzt. Zwei Stockwerke höher zeigt LOUIS (Louis Busman), holländischer Künstler in Berlin seit 1971, das Unwahrscheinliche: Penibelst auf das Leinwandgeviert gemalte Landschaften. Die Idee dieses Realismus umriß Helmut Börsch- Supan treffend mit der Bemerkung, LOUIS sei ein Umweltmaler.

Bis 27. 4., Di-Fr 14-17 Uhr, Pascalstraße 8-9, Charlottenburg

Das Licht der (Stadt-)Landschaft verändert das Licht im Kunstwerk. Die finnische Künstlerin Kirsi Mikkola lebt nach längerer Berlin-Zeit inzwischen in Harlem/New York. Und so ist das nordisch-frische, farbenfroh strahlende Licht aus den Zeichnungen und Skulpturen dunkleren, satteren Farbtönen gewichen, und das Gelb künstlicher Lichtquellen überstrahlt das konspirative Treffen ihrer bierbäuchigen, glatzköpfigen „No.1“-Männer. Mikkolas subversiver Comic um „Glo“, „Quickie“ und die „No.1s“ ist, wie man in der Musik sagt, „schwärzer“ geworden. Das zeigen die Arbeiten in der Galerie Neu. Die lineare Narration ist der Fragmentierung und dem Detail gewichen. Rot bestiefelte Füße, die Glo, Mikkolas mutwilliger, frecher Mädchenheldin gehören, stehen auf einer Ziegelmauer, und man fragt sich, ob man sich um Glo Sorgen machen muß? Eine Frage, die man sich früher nicht gestellt hätte. Da führte Glo die Sexdiva Quickie aufs Glatteis, wie man auf einer älteren Ausstellungsarbeit sehen kann, oder rollte die No.1s einfach mit dem Kuchenroller platt. Jetzt mißt sie ihnen bedachtsam die dicken schwarzen Zungen, die ihnen wie Zigarren aus dem Mund quellen. Ja, sie hat sogar selber eine schwarze Zunge. Aber da sich die etwa kniehohe Gipsfigur schamhaft in die Ecke dreht, erkennt man das erst auf den zweiten Blick. Den fordert Mikkola mit ihren neuen Arbeiten heraus, und es zeigt sich: Glo hat Mitleid mit den Männern. Sie bekocht sie. Aber essen müssen sie alleine. Grau in Grau sitzen ihre traurigen runden Köpfe über runden Tellern. Eigentlich noch gemeiner.

Bis 1. 4., Do, Fr 15-19, Sa 12-15 Uhr, Auguststraße 50a, Mitte

„Cu cu cu cube“ stottert sich der Titel bei Zwinger zum Ziel. Understatement für eine kleine, aber feine Ausstellung der Künstler der Galerie. Formulierungsversuch einer Ausstellung im Modell. SUSI POP übermalt das Fotoporträt eines Mannes mit der Isometrie eines pinkfarbenen Rechtecks und näht dem „blockhead“ einen formatgleichen, pink bemalten Leinwandkubus. Er steht in der Vitrine, die Ueli Etter aus dem abgewickelten Museum der Kapitulation gerettet hat. Zwei Sternenkarten, zwei Landkarten und zwei romantische Landschaften lassen sich durch Scharniere zu einem Kubus zusammenklappen. Bezaubernd in der Korrespondenz zu Bettina Allamodas „Museum in the box“, das ausgegrabene Alien-Skulpturen, das Gemälde des russischen Weltraumfahrers Sokolow „Sojus über Sinai“ und den 7-min-Defa- Film „Die Himmelsstürmer“ in einen kompakten Würfel steckt. Daniel Habegger fragt sich „Would I like to be Donald Judd“ und stellt im Modell eine Installation Judds in Basel nach. Ein Ausstellungsfoto des Habeggers neben sechs blankpolierten Stahlwürfeln ist die pure Fiktion. Eran Schaerf zeichnet eine Geschenkbox mit orangefarbenem Gummiband an die Wand, hochästhetisches Detail aus seiner documenta-Arbeit von 1992. Tobias Hausers weiß lackierter Holzkubus steht ideell unter Unterdruck, fein herausgeschliffene Einbuchtungen sind die Folge. Und für „Die tödliche Doris. Hautmuseum“ baut Käthe Kruse einen Mini- Glaskubus an den anderen. Miniaturisierte Merkwürdigkeiten wie ein nicht brennbarer japanischer Plastikreiseaschenbecher oder ein geschnitzes Sofa aus der verblichenen Automaten-Galerie füllen die Vitrinen.

Bis 25. 3., Di-Fr 14-19, Sa 11-14 Uhr, Dresdener Straße 125, Kreuzberg Brigitte Werneburg