Polizeiübergriffe: "Du aus Türkenland"

■ Türkische Familie von Polizei traktiert / Polizei weist Darstellung zurück / Türkei-Zentrum: "Übergriffe alltäglich"

Nichts Außergewöhnliches, sondern „Alltägliches“ wollte das „Türkei-Zentrum“ in Kreuzberg in seiner gestrigen Pressekonferenz thematisieren: Ein Mitglied seines Selbsthilfevereins und dessen Familie seien aus nichtigem Anlaß von der Berliner Polizei traktiert worden. Der Fall, so Vereinsvorständler Ismail Ümsal, sei nur „die Spitze des Eisbergs“, in informellen Umfragen habe jeder fünfte Türke angegeben, schon einmal von der Polizei beleidigt oder geschlagen worden zu sein. „Du aus Türkenland“, habe er selbst erst kürzlich aus einem Polizistenmund vernommen.

Vielleicht „braucht die Polizei selbst Anti-Gewalt-Seminare“, sinnierte Ümsal, der im Rahmen der Straffälligenhilfe solche Seminare für türkische Jugendliche abhält. Jedenfalls habe man jetzt ein Komitee gegründet, um Geschädigte darin zu unterstützen, daß sie Konflikte mit der Polizei „nicht mit der eigenen Faust regeln, sondern über Strafanzeigen“.

Auch Cengiz K. versuchte diesen Weg einzuschlagen, allerdings mit größeren Schwierigkeiten. Am 4. März, als er mit seiner Frau und seinen dreijährigen Zwillingen in Neukölln einkaufen war, sah er eine Schlägerei zwischen Türken und Deutschen. Ein älterer Türke blutete am Auge, und Cengiz K. bot sich an, für ihn gegenüber der Polizei zu dolmetschen. Als ein Polizist ihn wegzudrängen versuchte, habe er protestiert: „Scheiße, was soll das!“ Daraufhin habe ihn der Polizeibeamte beschuldigt, ihn mit dem Wort „Scheiße“ beleidigt zu haben. Statt die Schlägerei aufzuklären, hätten die Polizisten nunmehr ihn und seine Familie gewaltsam in einen Polizeiwagen geschoben und zu einer Wache gebracht.

Die Prellungen, die seiner Frau an Finger und Fuß beigebracht worden waren, wurden später ärztlich attestiert. Aber als das Ehepaar auf der Wache deswegen Strafanzeige wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung stellen wollte, sei es ausgelacht worden. Erst in einer anderen Wache sei ihnen das gelungen, die Polizisten hätten sich sogar für ihre Kollegen entschuldigt. Doch als er vorgestern wegen des Ermittlungsverfahrens bei der Kriminalpolizei vorsprechen sollte, berichtet Cengiz K., habe man ihm einen Dolmetscher aus Aserbaidschan besorgt, dessen Sprache er nicht verstand.

Die Pressestelle der Polizei wies die Darstellung des Türken zurück. Cengiz K. habe sich bei der Aufklärung der Schlägerei in der Karl-Marx-Straße „immer wieder in die Amtshandlung“ eingemischt und den Beamten zugerufen, „daß alle Polizisten ausländerfeindlich seien und 60 Prozent den Republikanern angehören“. Als er sie dann auch noch als „Scheißbullen“ beschimpft habe, sollte er zwecks Personalienfeststellung zur Wache mitgenommen werden. Die Mitfahrt von Frau und Kindern sei „auf seine ausdrückliche Bitte“ hin „gestattet“ worden.

Fast schon beleidigt reagierte die Polizei auf den Kommentar des Türkei-Zentrums, die Ausländer hätten „kein Vertrauen in die Polizei und Justiz“. Das sei „befremdlich“, weil die Polizei derzeit „enorme Anstrengungen“ unternehme, türkische Bürger „vor extremistischen Angriffen zu schützen“. Ute Scheub