■ Jury prämiert zwei Entwürfe für Holocaust-Denkmal
: Der Weg ist das Ziel

Der künstlerische Wettbewerb für ein Denkmal zur Erinnerung an die ermordeten Juden in Europa ist entschieden, der Beschluß, welches Denkmal realisiert wird, aber noch nicht gefaßt. Und das ist gut so. Denn die Jury entschied sich für zwei erste Preise, ein Eingeständnis, daß es keinen nationalen und damit auch keinen identitätsstiftenden Konsens darüber geben kann, wie das Unbegreifliche begreiflich gemacht werden kann. Die beiden Entwürfe von deutschen Künstlern und Architekten – auch dies ist überraschend und gut – sind nicht miteinander harmonisierbar, es wird ein Entweder-Oder geben.

Eine öffentliche Diskussion wäre jetzt angebracht; fatal, wenn die Entscheidung nach Überprüfung der finanziellen und technischen Machbarkeit ausschließlich den drei Auslobern des Wettbewerbs überlassen würde. Ein Machtwort von Helmut Kohl, wie es bei dem ebenfalls mit zwei ersten Preisen bedachten Entwurf zum Kanzleramt ansteht, darf es nicht geben, auch kein Machtwort der Denkmalsinitiatorin Lea Rosh. Es ist eine Binsenweisheit, daß das Wichtigste bei der Denkmalsfindung der Weg zur Entscheidung ist. Die Debatte, ob überhaupt – und dann wie – die Verbrechen an den Juden zu ästhetisieren sind, fand aber bisher nur in illustren Gremien statt.

Beide prämierten Entwürfe, und dies zu sehen ist erleichternd, maßen sich nicht an, in Konkurrenz zu den wirklichen Erinnerungsstätten an die NS-Verbrechen treten zu wollen – zu den Konzentrationslagern rund um Berlin. Beide sind zu eindeutig Kunst, die Betroffenheit wird durch eine Inszenierung erzeugt, durch einen gewaltigen Materialaufwand, so als ob die Größe des Verbrechens sich auch in der Architektur niederschlagen müsse. Das Modell der gewaltigen Stahlträger ist niederdrückend. Dagegen ist der Entwurf der überdimensionierten begehbaren Grabplatte, auf der die Namen der Ermordeten eingraviert werden können, nicht – wie die Kritiker grundsätzlich befürchteten – eine Entsorgung des Gedenkens. Es ist das Gegenteil. Denn selbst wenn durch fleißige Archivarbeit und viel Bürgergeld Millionen von Namen genannt werden können, Millionen von weiteren Namen ermordeter Menschen werden immer unbekannt bleiben. Höchst irritierend ist bei diesem Entwurf aber die zusätzliche Aufstellung von 18 Steinen aus dem – vor allem von israelischen Nationalisten genutzen – Wallfahrtsort Massada. Daß das Symbol für Widerstand bis in den Freitod die Vernichtung der europäischen Juden symbolisieren soll, ist unbegreiflich und ideologisch. Anita Kugler