■ Der Energiekonsens in Bonn
: Pferdehändler unter sich

Die Bonner Regierung verpflichtet sich, ein vor ein paar Monaten beschlossenes Gesetz zur Steinkohlesubventionierung – das sogenannte Artikelgesetz – einzuhalten. Viel mehr ist bei der ersten Runde der neuaufgelegten Energiekonsensgespräche am Donnerstag abend nicht passiert. Obgleich die Regierungsparteien diese Absicht schon am Dienstag per Koalitionsbeschluß verkündet hatten, wertete die SPD-Verhandlungsdelegation die neuerliche Zusicherung als einen großen Erfolg.

Ob das die Bergleute auch so sehen, blieb am Freitag noch ungewiß. Gemessen an den ursprünglichen Forderungen der FDP oder der Ministerpräsidenten aus Sachsen und Bayern, die die Kohlesubventionen kurzfristig drastisch zurückfahren und zudem sämtliche Zahlungen von einer Zustimmung der SPD zur Kernenergie abhängig machen wollten, liegen sozialdemokratische Erfolgsmeldungen nahe. Tatsächlich konnte sich die SPD aber nur so weit durchsetzen, wie ihr Druckpotential im Bundesrat reichte. Weil ohne ihre Zustimmung eine Änderung des Artikelgesetzes, das bis zum Jahr 2000 dem Steinkohlebergbau jährlich mindestens 7 Milliarden Mark zusichert, nicht zu haben war, mangelte es auch den radikalsten Kohlegegnern am machtpolitischen Instrument.

Die große Stunde der sich wie Pferdehändler gebärdenden politischen Kaste beginnt darum erst jetzt. Wie soll es nach dem Jahr 2000 weitergehen? Wird dann die alte Platte der Atomlobbyisten, Geld für Kohle im Tausch für ein Ja zur Atomenergie, neu aufgelegt? Das Erpressungspotential gegen die SPD schrumpfte, entschlösse sich die Partei endlich, den Bergleuten reinen Wein einzuschenken: Da ein gewaltiger Preisunterschied zwischen importierter und in Deutschland geförderter Kohle auch in den kommenden Jahrzehnten fortbestehen wird, führt kein Weg an einer Beendigung des Bergbaus vorbei – bis auf ein paar Demonstrationszechen, zur Sicherung der hochmodernen Bergbauindustrie. Dieser Prozeß ließe sich innerhalb von etwa 20 Jahren ohne große Brüche sozialverträglich über die Bühne bringen. Jetzt liegt es an der SPD, das unwürdige Spiel der Atomlobbyisten, die Bergleute als Faustpfand für ihre fatale Atompolitik einzusetzen, durch eine zukunftsträchtige Energiepolitik in Richtung Energiewende zu beenden. Die Stichworte dafür haben Ernst Ulrich von Weizsäcker (Vervierfachung der Energieproduktivität) und die Hannoveraner Forschergruppe (Gruppe Energie 2010) erst in dieser Woche erneut geliefert. Nur wenn diese Vorschläge ins Zentrum der Energiekonsensgespräche gerückt werden, machen weitere Runden Sinn. Nach dem ersten Gespräch sieht es so aus, daß die handelnden Pferdehändler davon wenig wissen wollen. Vielleicht hilft ja Druck von außen. Walter Jakobs