■ Nach der Niederschlagung der Revolte in Aserbaidschan
: Der Geruch von Öl

Die blutige Unterdrückung einer Revolte, die Eliteeinheiten der aserischen Polizei angezettelt hatten, beweist erneut die Zerbrechlichkeit Aserbaidschans – eines Landes, das dank seiner Ölvorkommen die potentiell reichste der drei transkaukasischen Republiken ist. Zum Teil wird heute das Öl von einem anglo- amerikanischen Konsortium kontrolliert, zum Teil aber auch von den benachbarten Ländern (Rußland, Türkei, Iran). Dieser Zustand läßt jenen Teil der russischen Machtelite unbefriedigt, der den „kaukasischen Hinterhof“ vollständig beherrschen möchte. Interethnische Konflikte ausnutzend, hat Moskau bis jetzt in Armenien und Georgien wieder Fuß gefaßt. Aber Aserbaidschan mit seiner turksprachigen, moslemischen Bevölkerung hat bislang hartnäckig jede Rückkehr russischer Truppen auf sein Territorium verweigert. Ist es ein Zufall, daß just in dem Augenblick, wo der Präsident Aserbaidschans, Alijew, sich einem neuen Aufstand, dem dritten seit seinem Machtantritt, gegenüber sah, die militärische Präsenz Rußlands in Armenien feierlich bekräftigt wurde?

Die erste der Rebellionen erlaubte es dem alten KGB-Offizier Alijew, wieder das Kommando in Aserbaidschan zu übernehmen, eine Position, die er als Parteichef innegehabt hatte, ehe ihn Breschnew ins Politbüro nach Moskau holte. Rußland hatte den Putsch in der Absicht unterstützt, an Stelle der protürkischen Volksfront ein prorussisches Regime zu installieren. Aber Alijew durchkreuzte diese Planung, hievte sich selbst auf den Thron und zog damit den Bannstrahl des Kreml auf sich. Wieder ist es kein Zufall, daß die Spezialeinheiten der aserischen Polizei im Oktober 1994 gegen ihren Präsidenten putschten, also am Vorabend der Unterzeichnung des Ölabkommens mit dem anglo-amerikanischen Konsortium in Baku.

Alijew nutzte den Putsch, um sich einer Reihe Moskowiter zu entledigen, zog aber die Brüder Djawadow, die Führer der Revolte, auf seine Seite. Der Epilog dieses Dramas wurde letzte Woche geschrieben, als die Brüder sich erneut gegen ihren Mentor wandten. Sie hatten auf die niederdrückenden, durch den Krieg in Tschetschenien noch verschärften Wirkungen der Inflation gesetzt, aber die Unterstützung der Bevölkerung blieb aus.

Erneut hat Alijew die Russen beschuldigt, allerdings ohne zu überzeugen. Hat der Chef der Aufständischen, der ohnehin nicht im Verdacht prorussischer Neigungen stand, nicht kurz vor dem Putsch die Türkei besucht? Jenseits konventioneller Erklärungen (Klankämpfe, Mafia-Rivalitäten) kann das nur heißen, daß der Geruch des Öls einige aus dem „westlichen Lager“ angestiftet hat, sich der Methoden des Kreml zu bedienen.

Mit freundlicher Genehmigung aus „Le Monde“, 19/20. März