Entschädigung für Sitzblockierer

■ Nach Karlsruher Urteil will SPD Rehabilitierung erreichen

Bonn (taz) – Nachrüstungsgegner, die wegen der Teilnahme an Sitzblockaden verurteilt wurden, sollen rehabilitiert und entschädigt werden. Das forderte gestern die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Herta Däubler-Gmelin. Sie kündigte an, daß ihre Fraktion mit einem eigenen Gesetzentwurf auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes von vergangener Woche reagieren werde.

Die Karlsruher Richter hatten vergangene Woche entschieden, daß friedliche Sitzblockaden nicht als Nötigung bestraft werden dürfen. Damit revidierte das Gericht sein eigenes Urteil aus dem Jahre 1986, wonach Sitzblockaden als eine Form der Gewalt angesehen wurden und als Nötigung zu bestrafen waren.

Däubler-Gmelin würdigte den friedlichen Charakter, den die Demonstrationen gegen atomare Nachrüstung in den 70er und 80er Jahren gehabt hätten. Den zu Unrecht Verurteilten müsse jetzt Gerechtigkeit widerfahren, forderte die Juristin. Deshalb müßten Bußgelder zurückgezahlt werden. An die Betroffenen seien zudem für verbüßte Haftstrafen Entschädigungszahlungen zu leisten.

Über die Höhe einer möglichen Haftentschädigung berät die Arbeitsgruppe Recht der SPD-Fraktion noch. Nach Schätzungen von Däubler-Gmelin gibt es Hunderte von Betroffenen. Den Entwurf will die SPD noch vor der Sommerpause einbringen.

Außerdem kündigte die SPD- Politikerin Gesetzesinitiativen an, die zur Entlastung der Gerichte beitragen sollen. Als Beispiele nannte sie die Herabstufung von Kleinkriminalität wie Ladendiebstahl oder Schwarzfahren zu Ordnungswidrigkeiten und den Ausbau des Täter-Opfer-Ausgleichs und anderer außergerichtlicher Schlichtungsmöglichkeiten. Polizei und Justiz sollten sich bei ihrer Arbeit auf die organisierte und die Wirtschaftskriminalität konzentrieren.

Für die Durchsetzung der Gesetzesinitiativen rechnet sich Däubler-Gmelin gute Chancen aus. Angesichts der knappen Mehrheit der Koalition im Bundestag und des Übergewichts der SPD im Bundesrat müssen die sozialdemokratischen Forderungen künftig stärker berücksichtigt werden, erklärte sie. Kirstin Hausen