Bewährungsstrafe für Überfall auf Flüchtlingsheim

■ Amtsgericht verurteilt fünf junge Männer zu Jugendstrafen wegen des brutalen Überfalls auf ein von Vietnamesen bewohntes Asylbewerberheim in Thale

Halberstadt (taz) – Vor dem Amtsgericht Halberstadt wurden gestern fünf junge Männer wegen des Überfalls auf ein von Vietnamesen bewohntes Asylbewerberheim in Thale zu Jugendstrafen zwischen einem und zwei Jahren verurteilt. In allen fünf Fällen setzte das Gericht die Strafen zur Bewährung aus. Dabei blieben die Richter bei ihrer Urteilsfindung in einem Fall unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte für den 19jährigen Haupttäter eine Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren ohne Bewährung gefordert. Die anderen Urteile entsprachen den Anträgen des Anklagevertreters.

Das Gericht befand alle fünf jungen Männer der gemeinsamen schweren Erpressung und der gemeinschaftlichen Körperverletzung für schuldig. Der 19jährige Haupttäter wurde darüber hinaus wegen sexueller Nötigung verurteilt.

Die fünf Männer hatten im Herbst 1992 gemeinsam mit anderen das Flüchtlingsheim in Thale gestürmt, auf die Bewohner eingeschlagen und -getreten, das Mobiliar zertrümmert und einige der Bewohner beraubt. Außerdem hatten sie versucht, an mehreren Stellen der Flüchtlingsunterkunft Feuer zu legen. Die Flammen konnten seinerzeit von den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft gelöscht werden. Die eintreffende Polizei verhinderte im letzten Moment die Vergewaltigung einer Vietnamesin. Der 19jährige Haupttäter war deshalb auch der sexuellen Nötigung und versuchten Vergewaltigung angeklagt.

Bei dem 19jährigen schloß die Staatsanwaltschaft aus, daß eine Bewährungsstrafe ihm den Weg in ein straffreies Leben öffnen könne. „Sein ganzes Wesen wird nach wie vor von einer potentiellen Gewaltbereitschaft bestimmt“, sagte der Anklagevertreter in seinem Plädoyer. Dieser Einschätzung mochte sich das Gericht nicht anschließen. In elf Verhandlungstagen hatte es sich als äußerst schwierig erwiesen, die Ereignisse zu rekonstruieren. Immer wieder mußte der Prozeß vertagt werden, weil einzelne Angeklagte, aber auch Zeugen nicht erschienen. Die Zeugen, die vor Gericht erschienen, konnten sich zweieinhalb Jahre nach der Tat nicht mehr an alle Einzelheiten der Vorgänge erinnern. Insbesondere die Aussagen der Opfer waren stark von Emotionen geprägt. Eine Vietnamesin war während ihrer Aussage zusammengebrochen. Eberhard Löblich