Hopp, hopp, nichts weiter!

Grauenhafte Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält – Kapitel IV: Ein verschluckter Spazierstock zu Pferde oder das sehr edle Dressurreiten  ■ Gequält vorm TV Albert Hefele

Wer das Dressurreiten erfunden hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls mir nicht. Sicher ist, es war einer, dem das hibbelige Geschnaube und Gebocke der ungestüm durch die Gegend klappernden Zossen gewaltig auf den Geist ging. „So nicht“, mag er sich gedacht haben. „Wenn es den Menschen adelt, zu schreiten als hätte er einen Spazierstock verschluckt, soll es auch der Kreatur frommen“.

Im Fernsehkasten ist es leicht zu erkennen, wenn Dressur ist. Man schaltet durch – und auf einmal ist wohltuende Ruhe auf dem Schirm. Ein graubraunes Rechteck mit weißem Zäunchen lädt zum Verweilen. „Aha“, denkt man, „das Pausenzeichen, gleich kommt eine Schrift.“ Irrtum, denn urplötzlich tut sich was. Hopp, hopp, hopp, ein naturfarbenes Maschinchen mit Ohren dran bewegt sich auf uns zu. Es ist der Gaul, wie wir bei genauerem Hinsehen schnell erkennen. Er ist nicht allein, denn oben drauf sitzt jemand.

Der Reiter ist entweder ein steinaltes Männlein oder ein rotbackiges, junges Fräulein. Trifft ersteres zu, heißt er Neckermann, ist Doktor oder Polizist. Trifft letzteres zu, handelt es sich um eine Reiterin. Die heißt dann Stückelberger, Theodorescu, Linsen- oder Uphoff. Was schlimm genug wäre – und doch: der ulkige Name allein macht noch keinen Reiter. Man muß üben, üben und nochmals üben. Im Ernst: Welches Pferd läßt sich schon freiwillig in Bewegungsrichtung stellen und soweit um den inneren Reiterschenkel biegen, daß die Vorhand auf den Hufschlag des äußeren Vorderbeins entfernt trifft ... beziehungsweise mit Außenstellung und -biegung mit der Hinterhand auf den Hufschlag stellen, während die Vorhand einen halben Schritt vom Hufschlag des inneren Hinterfußes entfernt trifft? Hat das irgendjemand verstanden? Das muß man so einem doofen Tier erst mal klar machen. („Also Fury: die Vorhand auf den Hufschlag und die Hinterhand einen halben Schritt ... Moment ...“) Einfältige Mittelschüler sind für den Dressursport jedenfalls nicht geeignet.

Den Reitern wird oft Unrecht getan. Viele Uneingeweihte meinen, der Reiter sei lediglich dazu da, um seinem Bollen scheißenden Untersatz Klasse zu verleihen. Weil er so fein herausgeputzt ist, mit dunklem Frack, weißen Hosen und Stiefeln. Nicht zu vergessen das Hütlein. Sehr wichtig, denn nur an ihm merkt man, daß der Reiter noch lebt. Zu Beginn der Dressur hebt er es nämlich mit steifem Arm vom Haupte, und läßt es einen Moment über sich schweben. Wenn der Hut wieder Platz genommen hat, erstarrt der Reiter und hat von dieser Minute an Feierabend. Glaubt zumindest der Uneingeweihte. Die Dressierer stöhnen auf ob solcher Unterstellung.

Reiten ist harte Arbeit. Hilfen geben, am Zügel ziehen, das Pferd in Bewegungsrichtung stellen und um den inneren Reiterschenkel biegen! Ist das vielleicht nix? Pferd und Reiter müssen eine verschweißte Einheit sein. Ein perfekt funktionierendes, sauber aufgezogenes Maschinchen. Travers, Renvers, Piaffe, Passage. Alles, nur keine normale Bewegung. Die kann schließlich jeder Karrengaul. Um sich dermaßen widernatürlich zu bewegen, ist ein Höchstmaß an Konzentration nötig. Der Uneingeweihte kriegt das aber, wie gesagt, nicht mit. Er döst während der Vorführung am TV-Gerät, obwohl ihn die gedämpft summende Stimme von Arnim Basche-Isenbarth eindringlich beschwört. Das Ganze sei eigentlich total spannend, will er uns sagen. Und wenn die Hinterhand bei der Piaffe nicht genau da ist, wo sie sein soll, macht er sich ins Hemd. Natürlich nicht richtig, denn blöde Aufregung ist für den Reiter das Letzte.

Einer wie Werner Hansch ist schon doppelt so aufgeregt, wenn er nur durchsagt, wer in welchen Trikots spielt. Dressur ist da anders: alles mit Maß und Ziel, wir sind hier schließlich nicht auf dem Sportplatz. Sind wir aber doch, es darf bloß keiner merken. Selbst im Siege wedelt der Reiter nur matt mit dem weißen Handschuh. Eine Niederlage findet genaugenommen nicht statt, nur wer genau hinsieht, bemerkt ein säuerliches Kräuseln der reiterlichen Mundwinkel. Keine Emotionen! Nicht fein! Oder kann sich jemand Josef selig vorstellen, wie er sich begeistert im Staube rollt, beziehungsweise seinem treuen Tier einen derben Tritt gibt, wegen schlampiger Passage?

Überhaupt: das Roß. Es ist dem Reiter heilig und ein allzeit treuer Kamerad. Stellt aufmerksam die Nasenlöcher (eigentlich heißt es Nüstern), wackelt mit den Ohren und schleudert steif die Hax'n, bloß weil es der auf ihm sitzende Langweiler gern so möchte. Was es sich wohl so denkt, im Staube der Arena? „Links, rechts, Vorhand, Rückhand ... äh Hinterhand ...“ Oder bloß: „Scheiße, Scheiße, Scheiße“? Man steckt nicht drin.

Und alles so, daß es keiner merkt. Warum eigentlich? Warum soll man nicht mitkriegen, daß die Reiterei auch anstrengend ist? Der Kugelstoßer schnauft, der Läufer schwitzt, mittlerweile ächzt sogar der Tennisspieler ... Der Dressurist tut so, als ginge alles wie von selbst. Hopp, hopp, hopp, nichts weiter dabei. Das ist ungefähr so, als feilte sich der Mittelstürmer gelangweilt die Fingernägel, während er zum Kopfball hochsteigt.