Noch mehr Stabilität für Europas Osten

OSZE und EU stricken mit ihrem gestern in Paris geschlossenen Stabilitätspakt ein paar neue Maschen ins Sicherheitsnetz für Europa / Die wirklichen Konflikte wurden ausgeklammert  ■ Von Alois Berger

Brüssel (taz) – Europa hat ein Abkommen mehr: Die 52 Staaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben in Paris einen Stabilitätspakt geschlossen, der dazu beitragen soll, Minderheitenkonflikte und Grenzstreitigkeiten auf dem Gebiet der ehemaligen sowjetischen Einflußzone friedlich zu lösen. Mit diesem Pakt wollen die westeuropäischen Staaten Druck auf alle Länder ausüben, die in die EU und die Nato drängen oder auch nur engere Zusammenarbeit suchen, damit sie ihre nationalistisch motivierten Konflikte nicht wie im ehemaligen Jugoslawien militärisch austragen.

Wichtigster Punkt ist die Verpflichtung aller Unterzeichnerstaaten, die Selbstbestimmungsrechte ethnischer Minderheiten wie beispielsweise der in Rumänien oder der Slowakei lebenden Ungarn anzuerkennen. Der Stabilitätspakt geht auf eine Initiative des französischen Premierministers Edouard Balladur aus dem Jahr 1993 zurück. Jenseits der wahltaktischen Überlegungen Balladurs – der sich um das Amt des französischen Staatspräsidenten bewirbt und daher dafür gesorgt hat, daß die Abschlußkonferenz in Paris stattfand – gilt der Stabilitätspakt als Versuch, die westlichen Einflußmöglichkeiten zu bündeln. Er soll den mittel- und osteuropäischen Regierungen signalisieren, daß die von allen gewünschte engere Zusammenarbeit mit EU und Nato von ihrer Bereitschaft abhängt, innenpolitische Konflikte demokratisch und Streitigkeiten mit den Nachbarländern friedlich zu lösen. Diese Prinzipien sind nicht neu. Die meisten Länder haben sie schon mehrfach unterschrieben, beispielsweise bei ihrem Eintritt in den Europarat.

Doch der Europarat ist eine vorwiegend moralische Instanz, die Fleischtöpfe stehen in Brüssel. Der in der EU für Außenbeziehungen zuständige Kommissar Hans Van den Broek erinnerte in Paris daran, daß die EU die wirtschaftliche Stabilisierung in Osteuropa bereits mit rund 400 Millionen Mark unterstützt. Zur Zeit werde über weitere Projekte im Wert von 120 Millionen Mark beraten, die vorwiegend der grenzüberschreitenden regionalen Zusammenarbeit dienen sollen, etwa eine Brücke über die Donau zwischen Ungarn und der Slowakei. Van den Broek ließ durchblicken, daß bei solchen Maßnahmen künftig die Prinzipien des Stabilitätspaktes berücksichtigt werden sollen. Als Erfolg rechneten es sich die Initiatoren an, daß kurz vor Gipfelbeginn der lang umstrittene Grundlagenvertrag zwischen Ungarn und der Slowakei unterzeichnet werden konnte. Wie weit diese Druckmittel ausreichen, Kriege wie im ehemaligen Jugoslawien zu verhindern, ist offen.

Und auch auf die Staaten der ehemaligen Sowjetunion dürfte der Stabilitätspakt kaum Eindruck machen. Je größer die Entfernung zu EU und Nato und je geringer die finanzielle Unterstützung, umso niedriger ist offensichtlich auch die Bereitschaft, die in Paris auf dem Papier gemachten Zusagen auch in die Realität umzusetzen. Die im Anhang zum Stabilitätspakt aufgelisteten rund 80 bilateralen Freundschafts- und Nachbarschaftsabkommen sind fast ausschließlich Verträge, die bereits seit längerem bestehen, darunter auch der deutsch-polnische Grenzvertrag. Mit regionalen runden Tischen will die EU den Abschluß weiterer Abkommen fördern.