Brüssel „not amused“ über Robbenjagd

■ Fischereiausschuß des Europarlaments protestiert in Oslo gegen Jagd auf Robbenbabys / Negativ-Image norwegischer Produkte

Oslo (taz) – Eine Woche nach dem Beschluß, die Jagd auf Robbenbabys wieder freizugeben, bekommt Norwegens Regierung heute Protestbesuch aus Brüssel. Der Fischereiausschuß des Europaparlaments will in Oslo die Botschaft überbringen, daß man in Brüssel vom Abschlachten der jungen Seehunde rein gar nichts hält. Genausowenig wie von der diesjährigen Waljagd, die bald wieder beginnt. Der stellvertretende Ausschußvorsitzende, Heinz Kindermann, Repräsentant der sozialdemokratischen Fraktion, meint dazu: „Wir hätten es begrüßt, wenn das Fangverbot verlängert worden wäre.“

Begrüßt hätte dies nahezu die gesamte norwegische Exportwirtschaft, die nun eine neue Boykottkampagne gegen ihre Produkte fürchten muß. Der Markt in Großbritannien für Waren mit der norwegischen Flagge sei jetzt schon mausetot, meldete der Chef des norwegischen Exportrats in London, Tore Gulli, nach Oslo. Norwegische Produkte hätten wegen der wiederholten Kampagne von TierschützerInnen mittlerweile ein derart negatives Image, daß Firmen ihre Produkte inzwischen unter falscher Flagge vermarkteten; so werde etwa Lachs als „Scotch- smoked“, in Schottland geräuchert, verkauft.

„Wir haben die Wissenschaft auf unserer Seite“, meint Wirtschaftsattaché Jan Bratu von der norwegischen Botschaft in London, „aber sachliche Argumente helfen sowieso nicht.“ Auch wenn das von Norwegen beabsichtigte Abschlachten von 2.600 Robbenbabys den Bestand nicht wesentlich gefährden dürfte, kann man in Oslo absolut nicht begründen, warum es im Interesse des angeblich zu schützenden biologischen Gleichgewichts so bedeutsam ist, ausgerechnet zwei Wochen alte Jungtiere zu erschlagen und nicht die ausgewachsenen Tiere.

Norwegens Regierung hat sich für die Wiederaufnahme der seit 1989 verbotenen Jagd denselben Deckmantel verpaßt wie für den trotz internationaler Proteste durchgeführten Walfang: die Seehunde würden zu „Forschungszwecken“ gejagt. In Wahrheit beugte sich Oslo dem Druck der Fischereilobby und der Pelzindustrie. Die führenden Großhändler hatten gedroht, in diesem Sommer ihr Engagement endgültig einzustellen, falls es keinen „Nachschub“ gebe.

Vor diesem Hintergrund begründete Norwegens Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland die Wiederaufnahme der Jagd mit der Gefahr, daß „ansonsten ein traditionsreicher Wirtschaftszweig ausstirbt“. Norwegens Fischer argumentieren, Seehunde würden zu viele Fische wegfressen und deshalb ihre Beute schmälern. Reinhard Wolff