NS-Opfer ohne Hilfe

■ Bündnisgrüne wollen kleinliche Entschädigungsgesetze ändern

Bonn (taz) – Auch 50 Jahre nach Kriegsende sind ganze Gruppen von Opfern nationalsozialistischer Verbrechen für das erlittene Unrecht noch nicht entschädigt worden. Das ergab eine Anhörung von zehn Verfolgtenverbänden, die Bündnis 90/Die Grünen gestern in Bonn veranstalteten. Ihr rechtspolitischer Sprecher, Volker Beck, nannte es einen Skandal, daß durch rigorose Fristsetzungen und kleinliche Ausschlußkriterien in den bisherigen Entschädigungsgesetzen viele Opfer in Armut leben müßten und damit schlechtergestellt seien als die Täter.

So beklagte Klara Nowak vom Bund der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten, daß diese Opfergruppe noch immer nicht als entschädigungsberechtigt anerkannt werde. Das Kriterium der „rassischen Verfolgung“ nach dem Bundesentschädigungsgesetz treffe auch auf die Mitglieder ihrer Organisation zu, da diese Maßnahmen direkte Folgen der NS-Rassenpolitik gewesen seien.

Alfed Hauser, Sprecher der Interessengemeinschaft ehemaliger Zwangsarbeiter unter dem NS-Regime, nannte es einen untragbaren Zustand, daß nur 7 von 16 Bundesländern Härtefonds eingerichtet und Richtlinien erlassen hätten, nach denen ehemalige Zwangsarbeiter eine Beihilfe erhalten können. Hauser forderte eine bundesweite Lösung.

Als Modell für eine gerechte Entschädigungsregelung schlug Volker Beck eine bundesweite Stiftung vor, die über die Entschädigungsanträge entscheiden soll. Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer sieht den entscheidenden Vorteil darin, daß die Verfolgtenverbände in den Gremien vertreten wären und damit eine weniger bürokratische Hilfe möglich wäre. „Bislang werden Opfer von Finanzbeamten, die sich in der Sache nicht auskennen, nur als jemand angesehen, der nervt“, klagte sie.

Positive Erfahrungen vermeldeten die Verfolgtenverbände im Umgang mit Stiftungen für NS- Opfer, wie es sie in Hessen und Berlin gibt. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, sprach die finanzielle Ausstattung einer Bundesstiftung an: „Wenn sie nur Stiftungsvermögen verbraucht, macht es keinen Sinn.“ Die Bündnisgrünen wollen eine neue Initiative zur Entschädigung von NS-Verfolgten in den Bundestag einbringen. Kirstin Hausen