■ Zu den Brandanschlägen
: Lautes Schweigen

Die ImmigrantInnen aus der Türkei sind enttäuscht. Kaum ein Wort der Solidarität oder des Bedauerns wird ihnen von der deutschen Öffentlichkeit zuteil. Die Brandanschläge werden immer noch als innertürkische Angelegenheit betrachtet. Als 1983 vor dem Länderspiel Deutschland–Türkei Neonazis Überfälle auf türkische Einrichtungen ankündigten, war in der Nacht des Fußballspiels halb Kreuzberg auf den Straßen, um durch massive Präsenz türkische Läden zu schützen. Sobald das rechte Feindbild fehlt, scheint auch der Linken die Betroffenheit abhanden zu kommen. Auch wenn unklar bleibt, wer diesmal hinter den Anschlägen steckt, ist dies keine Entschuldigung, untätig zu bleiben. Einiges weist darauf hin, daß hinter einem Teil der Anschläge die PKK steckt. Viele sympathisieren mit dem kurdischen „Befreiungskampf“ – hindert sie das daran, eindeutig Stellung gegen die Gewalt zu beziehen?

Aber auch der Staatsschutz muß sich fragen lassen, was seine Ermittlungen seit den ersten Brandanschlägen im vergangenen Sommer gebracht haben. Warum erfährt die Öffentlichkeit nichts über die Erkenntnisse? Wissen die Beamten wirklich nicht, wer die Täter sind? Dann haben sie komplett versagt. Die Funkstille schürt jedenfalls die Verunsicherung und den Verdacht, daß die Aufklärung keine Priorität genießt. Auch der Polizeischutz vor türkischen Einrichtungen ist zu spät verstärkt worden.

All dies führt zu einem massiven Vertrauensverlust der ImmigrantInnen aus der Türkei. Selbst in Berlin, der Stadt mit der größten türkischen Community, fehlt der Öffentlichkeit sowohl das Gespür für die Befindlichkeit der ImmigrantInnen als auch die Vorstellung, welcher Schaden durch das Schweigen für das Zusammenleben entsteht. Dorothee Winden