Entlarvt

■ betr.: „Überall Verschwörung“ und „Es wird alles immer schlim mer“, taz vom 16. 3. 1995

[...] Ute Scheub zitiert korrekt. Der Antrag der PDS auf eine Sondersitzung des Abgeordnetenhaueses zum 8. Mai, so hatte ich zu behaupten gewagt, sei bei den Parteien der großen Koalition auf Ablehnung gestoßen, weil er den von ihnen „angestrebten nationalen Konsens“ – Deutschland 50 Jahre nach der Zerschlagung des Faschismus wieder als Großmacht zu etablieren – negiere. Insbesondere gelte das für die in dem Antrag erhobene Forderung, antifaschistischen Widerstandskämpfern Rederecht zu erteilen. Die damit verbundene Erinnerung an vergangene Großtaten des deutschen Reiches werde von den Protagonisten dieses Vorhabens wohl als unliebsame Störung empfunden. Ute Scheub findet das weder richtig noch falsch, sondern furchtbar „schlimm“, weil ich damit einen „nationalen Konsens“ über die deutsche Großmachtrolle „herbeifantasiere“, den es „doch gerade erst zu verhindern gilt“.

Mit der Logik ist das so eine Sache: Das Ansinnen, einen Konsens zu verhindern, hat nun mal zur Voraussetzung, daß er von den anderen „angestrebt“ wird. In der Sache hat Scheub, einigermaßen redliches Denken vorausgesetzt, also keinen Einwand.

Aber weil Ute Scheub meint, einem Argument schon deshalb die Zustimmung verweigern zu müssen, weil es von der PDS kommt, emanzipiert sie sich von der lästigen Pflicht des genauen Lesens und holzt munter drauflos. Notfalls tut's auch die Denunziation der Person. Der Urheber des Satzes sei ein „früherer konkret-Autor“, ein „Verschwörungstheoretiker“ und vor allem ein „gescheiterter Westlinker“. Das sitzt. Mir seien „die Maßstäbe abhanden“ gekommen, schreibt Frau Scheub. Ihr Feinbild hingegen scheint bestens intakt. Günter Kolodziej