Konkurrent „belebt“ Geschäft

Vom Deutschland-Engagement der britischen Oxfam erwarten heimische Hilfsorga- nisationen unliebsamen Wettbewerb auf dem Spendenmarkt  ■ Von Hugh Williamson

Frankfurt/Main (taz) – Oxfam, das größte Dritte-Welt-Hilfswerk der britischen Insel, erweitert sein Engagement auch auf dem Kontinent. Anläßlich seines ersten großen Deutschlandtreffens am vergangenen Samstag in Frankfurt versammelten sich etwa 60 Menschen, die ersten Spendenaufrufe sind schon unterwegs. Im Mai wird Oxfam in der Bankenmetropole einen neuen Laden eröffnen und damit seinen bereits etablierten Verkaufsstellen in Bonn und Köln eine weitere hinzufügen.

Oxfam ist eine Freiwilligenorganisation, die vor allem bekanntgeworden ist durch ihre insgesamt 860 Dritte-Welt-Läden in Großbritannien und Irland. In Oxfam- Geschäften werden von der Bevölkerung gespendete Kleider und gebrauchte Haushaltswaren verkauft. Darüber hinaus umfaßt das Angebot „Fair-Trade“-Produkte aus den Entwicklungsländern, Produkte also, deren Ertrag garantiert den Produzenten zugute kommt. Die meisten der insgesamt 27.000 Angestellten sind Freiwillige, die ohne Bezahlung arbeiten und damit ermöglichen, daß ein hoher Prozentsatz der aus dem Verkauf erzielten Gewinne in Projekte in Ländern der Dritten Welt fließt.

Das britische Hilfswerk hat den Ruf, in Notlagen, etwa drohenden Hungerkatastrophen, schnell und effizient zu reagieren sowie durch spektakuläre Kampagnen das Bewußtsein der Menschen in den Industrienationen für die Probleme der Dritten Welt nachdrücklich zu prägen. Nach der Devise „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützt Oxfam weltweit über 2.000 lokale Organisationen in 70 Ländern.

David Bryer, Direktor von Oxfam Großbritannien und Irland, erläuterte am vergangenen Samstag in Frankfurt die Gründe für die Expansion seiner Organisation auch in Deutschland. „Das hat viel mit Deutschlands Rolle in der Welt zu tun, mit seiner Bedeutung als Wirtschaftsmacht und auch mit seiner wachsenden politischen Bedeutung. Wir würden es begrüßen, wenn sich hierzulande das gleiche Bewußtsein für die Nöte der armen Länder entwickelte, wie das in vielen anderen Ländern schon heute der Fall ist“, sagte Bryer. „Wir sind hier, um daran zu arbeiten.“

Die Reaktionen auf Oxfams Vordringen auf den deutschen „Spendenmarkt“ sind gemischt. Während die evangelische Hilfsorganisation Brot für die Welt und die katholische Misereor Oxfam ausdrücklich willkommen heißen, kritisierten nichtkirchliche Organisationen wie Terre des hommes und die Deutsche Welthungerhilfe das britische Hilfswerk dafür, nur unnötig Konkurrenz zu schaffen. Im Grunde fühlen sich die beiden deutschen Hilfswerke, die wie Oxfam dem europaweiten Netzwerk nichtkirchlicher Organisationen Eurostep angeschlossen sind, von den Briten hintergangen; Oxfam hätte sie nicht über ihre deutschen Pläne informiert.

Oxfam-Vertreter weisen diese Kritik zurück und versuchen nun, Brücken zu bauen. „Sicher, es könnte zu einem Wettbewerb bei unseren Spendenkampagnen kommen“, räumt David Bryer ein, „genausogut aber auch zu einer Zusammenarbeit gleichgesinnter Organisationen.“ In der vergangenen Woche war Bryer mit dem Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Volker Haussmann, zusammengetroffen und hatte anschließend bekanntgegeben, mit Haussmann ein „prinzipielles Agreement zur Zusammmenarbeit“ vereinbart zu haben.

Das jedoch sieht Haussmann ganz anders. Er erklärte am letzten Dienstag im Gespräch mit der taz: „Ich sage ganz deutlich: Oxfams Pläne bereiten mir Sorge. Ob wir kooperieren, hängt davon ab, wie stark sie in den Spendenmarkt eintreten.“ Oxfam verfügt durchaus über das Potential für solch ein dramatisches Eintreten. Die Organisation sammelt weit mehr als die meisten deutschen Hilfswerke (siehe Grafik), dabei ist bei Oxfam der Anteil des Spendenaufkommens aus „offiziellen“ Quellen, wie Kirchen oder Behörden, weitaus geringer als bei den anderen.

Die deutschen Pläne sind nur ein Baustein im internationalen Engagement Oxfams, das der Organisation immer mehr finanziellen Spielraum eröffnen soll. Die Mutterorganisation, die in Kürze auch für Oxfam Deutschland verantwortlich zeichnen wird, hat lockere Beziehungen zu Agenturen in acht Ländern, darunter Oxfam-Filialen in den USA, in Kanada, Belgien und Hongkong sowie NOVIB in den Niederlanden. Diese Gruppen schließen sich gerade zu einer Dachorganisation zusammen, Oxfam International (OI). Bryer zufolge nimmt OI jährlich etwa 500 Millionen Mark ein.

Secondhandläden in zehn deutschen Großstädten, so das Ergebnis der Frankfurter Konferenz, sollen den Umsatz noch vergrößern. Und von seiner in der letzten Woche in Berlin eröffneten Hauptgeschäftsstelle aus will Oxfam Kampagnen organisieren, mit denen auch dem politischen Bewußtsein der Deutschen auf die Sprünge geholfen werden soll.