Haß als Motiv antischwuler Gewalt

■ Rund 30 Schwule wurden 1994 wegen ihrer Homosexualität getötet / Verbände fordern Schwulenbeauftragte bei Polizeien

Bonn (taz) – Gewalttätige Überfälle gegen Schwule werden immer brutaler, obwohl die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität in den letzten Jahren gestiegen ist. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt der Schwulenverband in Deutschland (SVD), der gestern in Bonn Zahlen über das Ausmaß antischwuler Gewalt vorlegte.

So werden nach Angaben des Bundeskriminalamtes jährlich etwa 30 Menschen wegen ihrer Homosexualität getötet. Dazu komme eine hohe Dunkelziffer ungeklärter Delikte, betonte der Sprecher des SVD, der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck. Weil sich Schwule verstärkt in die Öffentlichkeit trauen, seien sie angreifbar geworden und verstärkt Übergriffen ausgesetzt. Nur so sei es zu erklären, daß fast ein Viertel aller dieser Gewaltverbrechen auf offener Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln geschehe.

Die Aggression wird nach den Erfahrungen des schwulen Überfalltelefons in München (SUB) oft schon allein durch den Anblick eines schwulen Paares ausgelöst. Häufigstes Motiv seien diffuse Haßgefühle gegen Schwule, sagte SUB-Sprecher Manfred Edinger. Einen rechtsradikalen Hintergrund habe es 1994 bei nur drei Prozent der Gewalttaten gegeben. Schwuleninitiativen wie das SUB, fordern nun finanzielle Hilfen vom Bund, um Opfern helfen und antischwule Gewalt verhindern zu können. Die Polizei müsse eng mit den Initiativen zusammenarbeiten, forderte Beck.

Der Abgeordnete schlug dazu die Benennung von Ansprechpartnern bei der Polizei vor: „Schwulenbeauftragte, wie es in Berlin einen gibt, schaffen Vertrauen.“ Durch die Kooperation könne die Polizei auch die Aufklärung von Straftaten verbessern. Das Berliner Modell, befürchtete Beck jedoch, stehe kurz vor dem Aus. Die Polizei kann nicht zusagen, daß die vor drei Jahren geschaffene Stelle über 1995 hinaus gesichert wird. Kirstin Hausen