Theo kann nicht rechnen

■ Kabinett billigt Waigels Steuergesetz

Bonn (taz/rtr/dpa) – Was der Staat im nächsten Jahr kostet, weiß kein Mensch. Das Bundeskabinett hat gestern das Jahressteuergesetz für 1996 verabschiedet. Aber Theo Waigels Rechnungen haben keine Chance im Bundesrat. Dort haben die SPD-regierten Länder die Mehrheit. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Heinz Schleußer hat den SPD- Genossen schon fest zugesagt, das Gesetz abzuschmettern. Die Finanzexpertin und stellvertretende SPD-Vorsitzende Ingrid Matthäus-Maier wirft dem Bonner CSU- Finanzminister vor, er bestrafe ausgerechnet den Leistungswillen der kleinen Leute.

Theo Waigel rechnet dagegen vor, sein Paket werde die bundesdeutschen Steuerzahlenden um insgesamt 30 Milliarden Mark entlasten. Ein Teil der Erleichterungen hat das Bundesverfassungsgericht angeordnet. Es hat 1992 entschieden, das sogenannte Existenzminimum müsse „steuerlich freigestellt“ werden. Nur mit Mühe gelang es den Finanzbeamten, dieser Forderung für 1996 nachzukommen. Der DGB meint, daß die jetzt vorgeschlagene Lösung wieder „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ grundgesetzwidrig sei. Ungeklärt ist zudem die gerechtere Förderung von Familien mit Kindern, die das Verfassungsgericht ebenfalls seit Jahren anmahnt.

Waigel bedient sich lieber in den Gemeindekassen. Er will die Gewerbekapitalsteuer ganz abschaffen und die Gewerbeertragsteuer drastisch senken. Beides waren wichtige Einnahmequellen der Gemeinden, die nun als Ersatz lediglich am Aufkommen der Mehrwertsteuer beteiligt werden sollen.

Aber auch in diesen Topf müssen die Gemeinden zuerst mehr einzahlen. Zwar werden die kommunalen Müllabfuhren nun doch nicht der Mehrwertsteuerpflicht unterworfen. Doch Waigel besteht darauf: „Diese Maßnahme ist richtig und wichtig.“ Der Bundesfinanzhof werde noch in diesem Jahr entscheiden, daß alle kommunalen Betriebe privat zu besteuern seien. Er selbst habe die Müllsteuer nur zurückgestellt, weil es mit den Ländern schon „genügend Konfliktfelder“ gebe, sagte er gestern.

Insgesamt soll der Bund auf Einnahmen von 17 Milliarden Mark verzichten. Zur Deckung der Haushaltslücken 1995 werden weder der Etat des Verteidigungs- noch des Zukunftsministers angetastet. Waigel sagt, er habe den Ressortherren Rühe und Rüttgers „klare Zusagen“ gemacht. Die Löcher sollen die Länder stopfen. Haushaltsexperten von Union und FDP forderten in den vergangenen Tagen immer wieder, in den westdeutschen Ländern „Umsatzsteuerpunkte“ zurückzuholen – der Bund hatte in den Solidarpaktverhandlungen 1993 zugunsten der Länder auf sieben Prozentpunkte vom Umsatzsteueranteil verzichtet. Die Westländer sollten mit dem Geld im Finanzausgleich die Steuerkraft im Osten anheben.

Aber da hat sich Theo Waigel wohl wieder verrechnet. Die Wessis können mit dem Geld viel weniger anfangen als die Ossis. Das Finanzministerium will deshalb für den Zeitraum bis 1998 „nicht benötigte Zuschüsse“ in Höhe von 14 Milliarden Mark wieder in die Buchhaltung des Bundes schreiben. Hans Monath

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