piwik no script img

Kunst, Kommerz etc.GaleristInnen allein im Haus

■ Neuer Leiter des Künstlerhauses Stuttgart macht in Kunsthandel

„Kunst muß handelbar sein, sonst gibt es keine nennenswerte künstlerische Produktion. Alles, was nicht handelbar ist, erreicht weder Sammler noch das Museum und verschwindet letztendlich. Wo kein Markt ist, ist auch keine Öffentlichkeit für Kunst. [...] Mit einem Wort: Konkurrenz statt Subvention und bloße Selbstverwirklichung“.

So beschreibt Galerist Max Hetzler die Gesetze des Kunstmarktes, abgedruckt im kürzlich erschienenen Sammelband „Spiegelschrift – Zur Lage der Kunst in Berlin“. Mit einem zweiten Verkaufsraum im bauboomenden Berlin präsentiert sich der in den 80er Jahren bereits erfolgreiche Kölner Kunsthändler nun als Büro-Ausstatter der neuen Hauptstadt: So viele Wände wurden für Kunst schon lange nicht mehr gebaut.

Es scheint auch absehbar, daß die als „Rezessions-Kunst“ bezeichneten, mit sparsamen Mitteln und sozialen Anknüpfungspunkten arbeitenden künstlerischen Projekte über kurz oder lang den Marktdruck zu spüren bekommen. Obgleich viele ambitionierte Galerien glaubhaft über ihre zwischenzeitlich angehäuften Schulden jammern, läßt sich mit einem Anziehen des Umsatzes durchaus kalkulieren.

Wie die FAZ in ihrer Kunstmarkt-Beilage vom 11. 3. 95 beschreibt, befindet sich die jüngere deutsche Galeristenszene im Umbruch. Angesichts des Direktverkaufs an Art Consultants oder einflußreiche Sammler baut der Kunsthandel neue Vertriebsstrukturen auf, sei es im Internet, durch Kooperationen mit der Bauwirtschaft oder in Zusammenarbeit mit Lifestyle- und Medienunternehmen. So präsentierte die parallel zur letztjährigen Kunstmesse „Art Cologne“ initiierte „Media & Art Exhibition '94“ zeitgenössische Kunst in den Kölner Magic Media Studios.

Nicolaus Schafhausen, seit Beginn des Jahres Leiter des Stuttgarter Künstlerhauses, hatte zunächst in Vorgesprächen Abstand zur Galeristentätigkeit signalisiert, lädt nun aber zum Auftakt alte Kollegen aus Berlin, Köln und Stuttgart ein: Unter Schafhausens Moderation führen die Galerien Eigen & Art, Lukas & Hoffmann, Christian Nagel, neugerriemschneider, Schipper & Krone und andere eine „Clubdiskussion“.

Wenn zum jetzigen Zeitpunkt ein Künstlerhaus unter neuer Leitung seine Saison mit einer Diskussion über „Galeristinnen und Galeristen zum Sinn ihrer Arbeit“ eröffnet, wirkt dies nicht nur einigermaßen befremdlich, sondern ist ein Politikum. Heidemarie von Wedel schrieb 1980, daß Künstlerhäuser und Kulturzentren seit den siebziger Jahren zur Überwindung der „Einseitigkeit einer konsumptiven Rezeption“ etabliert wurden. Pragmatischer formulierte es der Künstler Dieter Hacker, ehemals Betreiber einer Produzentengalerie und Mitbegründer der Zeitschrift Volksfoto: „Künstler müssen lernen, die Reflexion über Arbeitsbedingungen in ihre Arbeit aufzunehmen, um diese Bedingungen zu ändern.“

Daß auch GaleristInnen sich in Form einer Podiumsdiskussion verständigen wollen, ist nachvollziehbar. So wird in Stuttgart Torsten Schilling die Londoner Dependance der Galerie Eigen & Art als eine Art Galerie auf Reisen vorstellen. Es ist merkwürdig, daß solche Debatten etwa im Rahmen einer Kunstmesse bislang ausblieben. Den Kunsthändlern allerdings im Künstlerhaus eine Plattform für Strategiediskussionen zu offerieren, birgt einen Affront gegen den Gründungsgedanken der Stuttgarter Einrichtung: Laut Satzung ist das Künstlerhaus Stuttgart Reuchlinstraße e. V. eine „Stätte künstlerischer Produktion ohne Erwerbscharakter“ und wurde als selbstverwaltete Alternative und in Opposition zum Kunstmarkt etabliert. Jochen Becker

Die „Clubdiskussion“ findet heute um 20.30 Uhr statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen