Das Portrait
: "Nachtigall" im Exil

■ Marsieh

Die Dame lebt auf hohem Fuß: Mit Stöckelschuhen und im tief dekolletierten Abendkleid steht die iranische Sängerin Marsieh auf der Bühne. Das Lächeln der Zwanzigjährigen gilt der High-Society ihres Landes – die Tochter eines muslimischen Geistlichen steht am Anfang ihrer Karriere und bereits im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Das Bild ist Erinnerung: Im vergangenen Sommer ist Marsieh ins französische Exil gegangen und hat bei ihrer Flucht Alben mit Fotos und Zeitungsartikeln mitgenommen, die ihren frühen Ruhm dokumentieren. Die heute Siebzigjährige sang damals zu Ehren des Schah und seiner Gäste wie Queen Elizabeth oder Konrad Adenauer. Doch auch das Volk hörte die „große Dame“ der iranischen Musik: Als eine der ersten Frauen hatte Marsieh eine eigene Radiosendung, in der sie moderne sinfonische Musik, persische Klassik und volkstümliche Lieder interpretierte – mehr als tausend Titel hat die Sopranistin in ihrem Repertoire. Doch nach 1979 verstummte die in ihrer Heimat so genannte „Nachtigall“: Wie die anderen SängerInnen mußte sie nach der Islamischen Revolution erklären, auf öffentliche Konzerte zu verzichten.

In der Einsamkeit sang sie allerdings weiter. Marsieh verließ ihre Geburtsstadt Teheran und zog mit ihrer Familie in ein abgelegenes Dorf. Daß ihre Stimme bis heute kräftig blieb, erklärt die Siebzigjährige mit den Gesangsstunden in der Wüste: „Ich habe für die Felsen, die Steine und den Sand gesungen, ich habe mit den Vögeln gesprochen.“

Marsieh Foto: H. Kaiser/Transparent

Nach Chomeinis Tod hätte sie als Frau vor Frauen auftreten dürfen, doch Marsieh verzichtete: „Ich habe immer für alle Iraner gesungen.“ Bekannt blieb sie nur durch Kassetten.

Im vergangenen Sommer ergriff Marsieh die Flucht vor den Zuständen im Iran und schloß sich in Paris den umstrittenen Volksmudschaheddin an. Nach 15jährigem Schweigen sieht die Sängerin ihre neue Rolle im politischen Protest. In poetischen Worten beklagt Marsieh in ihren neuen Liedern das leidvolle Leben der Iranerinnen, und sie erinnert an einen mythischen Tyrannensturz, um zur Revolte gegen die Mullahs zu rufen. Dabei setzt sie vor allem auf die Frauen, weil deren Situation besonders verzweifelt ist – Marsieh sieht in ihnen die Avantgarde einer kommenden Revolution.

Am 31. März wird die „Nachtigall“ in der Düsseldorfer Philippshalle wieder auf der Bühne stehen. Bettina Rühl